Courtneys Koralle: Die Kunstaktivistin schlägt Wellen für die Rettung unserer Meere
Ein leuchtendes Riff in Fleischrot, Ocker und Algengrün, vor dem sich halb verborgene amethystfarbene Taschen und lavendelblaue Einblicke abzeichnen. Die verdrehten, sich windenden organischen Formen vermitteln den Eindruck echter Bewegung. Man könnte es niemandem verübeln, wenn er geduldig darauf wartete, dass aus einer Anemone ein Clownfisch auftaucht, so lebensecht sind Courntey Mattisons moderne Plastiken. Doch die Parallelen zur Realität enden hier leider nicht. Diese lebendige, farbenfrohe Korallenstadt ist auf allen Seiten von toten, weißen Korallenskeletten umgeben. Leere Muscheln und verlassene Körper zeichnen ein ganz anderes Bild. Hinter diesem Meisterwerk steht eine ganz starke Botschaft.
Courtney Mattisons Arbeiten drücken den Wunsch aus, Korallenriffe vor den Folgen der Umweltverschmutzung zu bewahren
Mattison, eine aus San Francisco stammende Künstlerin und Aktivistin, war seit jeher von diesen wunderschönen submarinen Ökosystemen fasziniert. Die Korallenriffe der Erde, die womöglich die größte Artenvielfalt auf dem Planeten beheimaten, bergen sogar mehr Leben als die tropischen Regenwälder. In den letzten Jahren aber wurde ihr Fortbestand fraglich. Als Reaktion darauf bildet Mattison die bedrohten Polypen-Metropolen der Natur in ihren überlebensgroßen Keramikinstallationen ab.
„Ich liebe Korallenriffe, weil sie exotisch, vielfältig und oft auch giftig sind“, erklärt sie. Doch trotz dieser emotionalen Beziehung folgt Mattisons Arbeit einer ernsten Agenda.
Wellen schlagen: „Artivismus“ in Form von zeitgenössischer Keramik
Tatsächlich sind Korallen stark durch die Verschmutzung der Meere bedroht. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich unsere Verwendung nicht wiederverwertbarer Kunststoffe für Flaschen, Strohhalme, Verpackungsmaterialien usw. rückläufig entwickelt. Die Folgen unseres Handels werden jetzt ausgestellt. Vielen war das medial stark beachtete Ausbleichen des Great Barrier Reef ein Weckruf.
In dem Bestreben, diese wunderschönen Farben vor dem Ausbleichen zu retten, überträgt die Kunstaktivistin ihren meeresbiologischen Hintergrund auf eine subtile skulpturale Arbeit, die sowohl in der Welt der Wissenschaft als auch in der der zeitgenössischen Kunst Wellen schlägt. Mattisons bevorzugter Werkstoff ist Keramik. Für die Glasur verwendet sie Kalziumkarbonat – ein Material aus dem auch Korallen bestehen. Auf diese Weise stellt Mattison eine weitere Verbindung zwischen ihrem Thema und ihren Werken her. Da es mit der Zeit spröde wird, hat Kalziumkarbonat eine ähnliche Anmutung wie die winzigen, verschlungenen Korallenzweige. Fragile Werke für fragile Zeiten.
Die Arbeiten einer Künstlerin und Aktivistin wie Mattison sollen den Betrachter herausfordern und provozieren, um seine soziale und ökologische Betroffenheit zu verstärken. Es passt daher, dass Mattison mit ihrer Masterarbeit „ein Denkmal für die Notlage der Korallenriffe“ setzen wollte, „um für ökologisches Engagement und eine andere Politik zu werben“.
Ihre Arbeiten sind filigran, aber meist großformatig
Our Changing Seas I: A Coral Reef Story
Ergebnis ihrer Arbeit war eine vortreffliche Korallennachbildung mit dem Titel „Our Changing Seas I: A Coral Reef Story“. Diese aufgetürmte Keramikskulptur ist fast fünf Meter hoch, über drei Meter breit und wiegt mehr als 680 Kilogramm. Ihre Präsenz ist so beeindruckend wie ihre Botschaft. Schleimige Algen und rot blühende Korallen verschmelzen mit der beschädigten, ausgebleichten Nachbildung des Riffs. Pastellfarbene Grenzzonen weichen dem kahlen, stummen Verfall. Auch wenn es eine imposante Darstellung unseres Einflusses auf das Leben in den Weltmeeren ist, so ist „Our Changing Seas I“ (ebenso wie die Fortsetzungen „Our Changing Seas II“ und III) keine Totenmesse.
Für die Künstlerin liegt darin eine Hoffnung auf Rettung, die darauf fußt, dass hoffnungsvolle Darstellungen „mehr Anstoß zum eigenen Handeln geben, als reine Abbilder der Zerstörung“.
Courtney Mattison überträgt ihren Hintergrund als Meeresbiologin auf ihre subtilen Plastiken
Ihre leuchtenden Arbeiten bergen ein Gefühl der Hoffnung auf Rettung
PORTRAIT: David Decoteau