Kaiser Franz Josef Spital ©Nickl & Partner Architekten

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Interview mit Magnus Nickl, Vorstand Nickl & Partner Architekten

Magnus Nickl schloss 2014 sein Architekturstudium an der ETH Zürich (CH) ab. Während seiner Zeit an der Universität arbeitete er als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Geschichte des Städtebaus. Während eines dreijährigen Forschungsaufenthaltes in Singapur führte Magnus Nickl städtische Entwicklungsprojekte in Singapur, Malaysia und Indonesien durch. Derzeit beendet er seine Promotion, die sich mit Urbanisierungsprozessen in Singapur und Indonesien beschäftigt. Für Nickl & Partner Architekten unterstützte Magnus Nickl den Aufbau des Büros in Zürich und beaufsichtigt derzeit die Durchführung zweier Großprojekte in der Schweiz: den Neubau des Forschungs- und Laborgebäudes D-BSSE Basel und den Neubau des Kantonsspitals Baden. Magnus Nickl betreut außerdem das Büro in Jakarta, Indonesien. 2019 trat er als Vorstand bei Nickl & Partner Architekten ein.

1. Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen Krisenzeiten? Was hat sich seit Corona verändert?

Magnus Nickl: Uns geht es allen sehr gut, darüber sind wir sehr froh. Wir hatten bis auf eine Mitarbeiterin, die sich aber schon seit Wochen im Home Office befand und sich über ihre Tante mit Corona angesteckt hat, keine Fälle in der Firma. Verändert hat sich durch Corona der plötzliche Wechsel von fast zweihundert Mitarbeitern ins Home Office. Wir mussten prüfen, ob unsere IT-Infrastruktur den Herausforderungen stand hält, was sie bewiesen hat. Das Arbeiten vom Home Office funktioniert, wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Mittlerweile ist ein Großteil der Mitarbeiter wieder zurück in den Büros, weil Architektur ein Team-sport und der Austausch untereinander wahnsinnig wichtig ist.Per Video läuft alles gut, aber persönlich vermutlich nochmals ein wenig besser. Grundsätzlich werden Video Konferenzen in Zukunft aber auch bei uns mehr Einzug halten, wir werden den Mitarbeitern und auch unseren Partnern mehr flexible Lösungen anbieten. Um sich zu sprechen und Entscheidungen zu fällen, muss man nicht mehr jeden Tag zum Flughafen hetzen.

2. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihre Arbeit an laufenden Projekten?

Magnus Nickl: Hier in der Schweiz sind alle Baustellen mit leichten Verzögerungen durchgelaufen, stehende Baustellen hatten wir innerhalb unserer Gruppe kaum. Auf unserer Baustelle in Basel sind wir beispielsweise stark auf Arbeitskräfte aus dem Elsass angewiesen. Anfänglich hatten wir Probleme mit der Grenze, dann aber fand man relativ schnell gute Lösungen mit den Behörden. Natürlich gab es auch verschiedene Unterbrechungen in den Lieferketten, was ja auch normal ist. Aber im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden.

Die Krise wird die Diskussion über das Gesundheitssystem grundlegend verändern. Es wird in den nächsten Jahren - und da sind sich alle Experten sicher, - eine relativ starke Investitionswelle im Gesundheitswesen geben, weil auch von der Politik verstanden wurde, dass unser Gesundheitswesen etwas sehr Schützenswertes ist

3. Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach Ihre Auftragslage durch Corona mittel- und langfristig verändern? Sicher ist schon heute, dass in öffentlichen und privaten Händen nach der Krise weniger Geld vorhanden sein wird als vorher

Magnus Nickl: Wir sind Architekten von Spital- und Forschungsbauten und merken, dass die Nachfrage nach neuen medizini-schen Einrichtungen und Konzepten extrem gestiegen ist. Seit vielen Jahren plädieren wir für ein anderes, flexibleres und modulares Krankenhaus und warnen vor Pandemien und solchen Infektionskrankheiten. COVID-19 wird ganz sicher nicht die letzte Pandemie sein. Unsere Konzepte sind plötzlich sehr gefragt, was uns natürlich freut. Deutschland hatte sehr viel Glück, die Krise erwischte uns in einer Phase der Hochkon-junktur, der Staat hat Gott sei Dank sehr weitreichende Möglichkeiten. In den nächsten Jahren - und da sind sich alle Experten sicher, - wird es eine relativ starke Investitionswelle im Gesundheitswesen geben, weil man jetzt Erkenntnisse zu den Schwachstellen und Ver-besserungsmöglichkeiten gewonnen hat. Herr Spahn und seine Kollegen im Gesundheitsministerium, aber auch die Ministerien in den jeweiligen Ländern, haben verstanden, dass wir zu erledigende Hausaufgaben haben. Die Krise wird die Diskussion über das Gesund-heitssystem also grundlegend verändern, es wird zu einer Neueinschätzung kommen, weil auch von der Politik verstanden wurde, dass unser Gesundheitswesen etwas sehr Schützenswertes ist. Ich glaube, dass die Welle der Sparmaßnahmen relativ schnell zur Geschichtewird und hoffe, dass wir zeitnah zu einer grundlegenden Diskussion zurückkehren: Was bedeutet das Krankenhaus der Zukunft? Was brauchen wir, um auch im Jahr 2100 krisenfest zu sein? Wir müssen uns zusammen-setzen und zusammenarbeiten, die wichtigsten Akteure auf diesem Markt müssen die Lage neu einschätzen, um wirklich grundlegende Veränderungen zu schaffen.

4. Corona lenkt den Blick wie ein Scheinwerfer auf die Misere unseres Gesundheitswesens. Kliniken sind der freien Marktwirtschaft und einem enormen Kostendruck ausgesetzt. Das führte zur Ausdünnung der Personaldecke. Das Deutsche Krankenhausinstitut berechnete kürzlich, dass allein in Deutschland 17.000 Pflegekräfte, auch auf Intensivstationen, fehlen. Haben wir zu fahrlässig geplant?

Magnus Nickl: Ich glaube nicht, dass wir zu fahrlässig geplant haben, wir haben nicht schnell genug reagiert. Wobei man aber gleich zu Anfang sagen muss: Im Vergleich zu vielen Nachbarländern stehen Deutschland und die Schweiz sehr gut da. Das zeigt, dass das Gesundheitswesen, über das wir gerne schimpfen, eigentlich sehr gut aufgestellt ist. Es gibt zukünftig die Tendenz zu Hochleistungszentren, universitäre Einrichtungen und hochspezialisierten Kliniken, in Kombination mit einem Netz von Grundversorgern. Diese Grundversorger sind in Zukunft nicht mehr das hundertfünfzig bis dreihundert-Betten-Krankenhaus, weil es wirtschaftlich nicht funktioniert. Die Tendenz zu „Same Day Surgery“ bedeutet kürzere Krankenhausaufenthalte und darauf müssen wir reagieren. Also die Schaffung kleinerer, modularerer, mit Telemedizin ausgestatteter Einheiten, die sich aber sehr schnell erweitern lassen. Optimal wäre es, wenn Spitzenkräfte großer Zentren auch in kleineren Zentren behandeln könnten. Wir propagieren das Einbettzimmer, weil es in Krisensituationen wie der derzeitigen viel besser isoliert und man die Patienten viel besser behandeln kann. Man muss bei der Krankenhausplanung auch bedenken: Indem wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einem gut durchdachten Krankenhausbau mit Tageslicht, klarer Orientierung und kurzen Wegen beste Arbeitsbedingungen schaffen, hoffen wir, dass wir auch mehr Leute für diesen Beruf der Pflegefachkraft begeistern können. Denn sie halten sich den Großteil ihres Tages in diesen Gebäuden auf.

Es gibt zukünftig die Tendenz zu Hochleistungszentren, universitäre Einrichtungen und hochspezialisierten Kliniken, in Kombination mit einem Netz von Grundversorgern. Diese Grundversorger sind in Zukunft nicht mehr das hundertfünfzig bis dreihundert-Betten-Krankenhaus.

5. Für einige Gesundheitsökonomen gibt zu viele Krankenhäuser in Deutschland und sie plädieren für die Schließung kleinerer Einheiten. Andere wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft hingegen halten es für einen Fehler, im Gesundheitswesen so einzugreifen und meinen, die Überkapazitäten sind gerade die Lebensversicherung für viele Menschen und das gesamte Gesundheitswesen. In einer Leistungskonzentration verberge sich die Gefahr, dass auch diese Großkliniken von der Infektionsproblematik betroffen sein können, was fatal wäre

Magnus Nickl: Wir plädieren grundsätzlich nicht für Krankenhausschließungen, wir sagen nur, dass die aktuellen Strukturen mit teils hundertfünfzig bis zweihundert- Betten-Häusern im ländlichen Raum nicht mehr ausgelastet sind und auch nicht über die Ärzteschaft verfügen, die für einen speziellen Eingriff notwendig wären. Die Fehlerrate nimmt bei fehlender Praxis statistisch nachgewiesen zu. Wir plädieren dafür, nicht mehr funktionstüchtige Einheiten aus den sechziger, siebziger oder achtziger Jahren durch bessere, neue, kleinere und mehr auf die Medizin des 21. Jahrhunderts angepasste Einheiten zu ersetzen, die auch gleichzeitig schnell zu erweitern sind. Die Medizin des 21. Jahrhunderts bedeutet auch sehr viel Telemedizin, das heißt, der Arzt muss nicht immer vor Ort sein. Wir müssen abkehren von Individuallösungen, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Die Corona-Krise beschleunigt mit den aus ihr gewonnenen Erfahrungen künftige Krankenhausstrukturen, denn unsere bestehenden sind auf solche Pandemiesituationen nicht ausgelegt. Das Problem ist natürlich auch: Wie schafft man es, den Normalbetrieb eines Krankenhauses aufrecht zu erhalten und gleichzeitig einen großen Bereich für hoch infektiöse Patienten zu haben? Die Frage, die sich stellt: Sind wirklich alle Notaufnahmen zwischen infektiös und nicht-infektiös getrennt, gibt es separate Bereiche? Die Antwort lautet meistens nein. Die vorherrschende Zimmerstruktur ist die Zweibettzimmerstruktur. Wir haben also kaum getrennte Infrastrukturen in den bestehenden Krankenhäusern. Deshalb benötigen wir andere Krankenhäuser und auch Rahmenprogramme, die modular und an klaren Systemen basiert sind. Wir können nicht für jedes Krankenhausprojekt ein komplett anderes, individualisiertes Raumprogramm entwickeln. Das ist nicht mehr zeitgemäß, da muss ein Raster dahinter gelegt werden, da müssen wirklich auf möglichst breiter Basis einheitliche Standards geschaffen werden, so dass wir auch beim Bau viel stärker auf die Methodik der Vorfabrikation zurückgreifen können, um neue Einheiten deutlich schneller errichten zu können, nicht mehr erst nach einer zehnjährigen Diskussion. Uns geht es darum, langfristig gute Strukturen für die Versorgung unserer Mitmenschen zu schaffen.

6. Wie ist die Kostenproblematik in den Griff zu bekommen?

Magnus Nickl: Ärzte müssen auch an die Krankenhäuser herangeführt werden, müssen dort aber auch eigene Strukturen aufbauen können. Da ist zum Beispiel das Ärztezentrum sehr gut, das auch an ein Altersheim angeschlossen werden kann. Und dieses Ärztezentrum könnte zum Beispiel auch mit einer voll ausgestatteten Radiologie versorgt werden. Wir müssen also moderne Strukturen schaffen und immer wieder die Verbindung zu den spitzenmedizinischen Zentren aufrecht erhalten. Das bedeutet nicht, dass es ein tausend-Betten-Krankenhaus wie Hamburg Eppendorf sein muss. Es kann auch eine hochspezialisierte Klinik sein, die kleiner ist, aber dann auf ein kleines medizinisches Spektrum konzentriert ist. Wenn, diese gesamten Bausteine in diesem Netzwerk plötzlich miteinander funktionieren, dann werden Sie auch die Kostenproblematik in den Griff bekommen, weil dann schaffen sie es natürlich, diese Behandlungen viel kosteneffizienter durchzuführen Wir sind fest davon überzeugt: Wenn die Strukturen stimmen, kann das auch ohne Probleme wirtschaftlich funktionieren. Wir haben ja die besten Beweise: Wenn wir ein neues Krankenhaus eröffneten, gingen die Patientenzahlen sofort radikal nach oben. Und wirklich lange defizitäre Häuser, zum Beispiel Hamburg Eppendorf, sind plötzlich profitabel. Sie können auch einer viel breiteren Bevölkerungsschicht aus dem Ausland Leistungen anbieten, die davor nicht möglich waren.

Wir plädieren dafür, nicht mehr funktionstüchtige Einheiten aus den sechziger, siebziger oder achtziger Jahren durch bessere, neue, kleinere und mehr auf die Medizin des 21. Jahrhunderts angepasste Einheiten zu ersetzen, die auch gleichzeitig schnell zu erweitern sind.

Magnus Nickl
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ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW

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Die aktuelle Krise stellt den deutschen Krankenhausbau auf den Prüfstand. Wir sehen darin vor allem eine Chance zur Verbesserung: Kompetenzen müssen weiter gebündelt werden. Krankenhäuser an jeder Ecke helfen keinem, wenn darin die Expertise fehlt. Bedarfe müssen neu definiert werden. Wir brauchen mehr Infektionsstationen und vor allem eine Diskussion über Einzelzimmer als Standard und nicht nur für den Privatsektor. In den Pflegestationen muss über dynamische Flächennutzung nachgedacht werden, um flexibler auf veränderte Ansprüche in Krisenzeiten reagieren zu können, ohne den regulären Betrieb zu stören. Nickl & Partner Architekten setzen sich seit langem mit Konzepten modularen Bauens auseinander. Darin könnte auch für den Pandemie-resistenten Krankenhausbau der Zukunft eine Chance liegen.

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