© Krischerfotografie für RKW ARCHITEKTUR+
Interview mit Matthias Pfeifer, Geschäftsführender Gesellschafter RKW Architektur+
Nach dem Studium stieg er 1986 als angestellter Architekt bei RKW Architektur + ein, wo er seit 2000 Geschäftsführender Gesellschafter ist. Er verantwortet insbesondere innerstädtische Entwurfsaufgaben, städtebauliche Planungen, Architektenwettbewerbe und die Einführung der Planungsmethode BIM. Bei der Architektenkammer NRW ist er Mitglied der Vertreterversammlung und des Kuratoriums der Stiftung Deutscher Architekten und engagiert er sich dort in verschiedenen Gremien für die BIM-Einführung. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender des BDA-Düsseldorf, Mitglied des Gremiums für Stadtgestaltung in Essen und Vorsitzender des Gestaltungsbeirats in Moers. Bei der IHK Düsseldorf engagiert sich Matthias Pfeifer als Mitglied der Vollversammlung und Vorsitzender des Arbeitskreises Immobilienwirtschaft.
1. Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen Krisenzeiten? Gibt es bereits verschobene oder gecancelte Projekte?
Matthias Pfeifer: Es geht uns erstaunlich gut, besser als wir es erwartet haben. Es ist uns gelungen, viele Mitarbeiter ins Homeoffice zu entlassen, die technischen Voraussetzungen dafür haben wir geschaffen. Die Arbeit funktioniert im Moment ganz prima. Wir alle machen wahrscheinlich die Erfahrung, dass diese Tele-Webkonferenzen, mit welchem Medium auch immer, eigentlich gut laufen. Ich befand mich mehrfach in größeren Webkonferenzen, in denen teilweisemehr als dreißig Teilnehmer anwesend waren. Alle hatten den Eindruck, dass es sogar konzentrierter als in einer physischen Präsenz abläuft. Das beschreibt unsere Gegenwart, obwohl ich in Bezug auf die fernere Zukunft nicht so fröhlich gestimmt bin. In Hinsicht auf unsere laufenden Projekte hat sich nichts im nennenswerten Umfang verändert: derzeit laufende Projekte laufen weiter. Die Frage ist eher, wie viele Projekte wir für die Zukunft akquirieren können. Hier habe ich den Eindruck, dass es eine gewisse Zurückhaltung gibt. Die Pandemie ist natürlich noch zu jung, um Fundiertes sagen zu können, aber wir beobachten die weitere Entwicklung bei RKW sehr aufmerksam.
2. Wie wird die Pandemie unsere Wirtschaft und die gesamte deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft treffen?
Matthias Pfeifer: Ich bin kein Wirtschaftsguru, aber alle Spatzen pfeifen es vom Dach: Produktionen stehen still, Menschen sind ohne Arbeit, und das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Und wir wissen, dass Deutschland ein exportorientiertes Land ist. Wenn die Menschen im Ausland nicht mehr so viel Geld verdienen, dann werden sie auch weniger deutsche Produkte kaufen. Das heißt mit anderen Worten, es ist ein Domino-Negativeffekt. Das muss man ganz nüchtern so sehen. Es wäre naiv zu glauben, dass alle Branchen darunter leiden werden, die Architektur aber nicht. Das kann einfach nicht sein. Alle sagen, wir stehen am Anfang einer schweren weltweiten wirtschaftlichen Krise und selbstverständlich wird das auch unsere Branche mehr oder minder erfassen. Betrachtet man es rein wirtschaftlich, muss man es branchenweise durchgehen. Dinge stellen sich ja jetzt schon heraus. In der Immobilienzeitung ist zu lesen, dass die Büronutzer positive Erfahrungen mit dem Homeoffice machen. Es ist unwahrscheinlich, dass Sie von diesen positiv gewonnenen Erfahrungen wieder lassen werden. Mit anderen Worten, es ist offensichtlich, dass im Bereich der Büros die Nachfrage sinken wird. Die Unternehmen denken darüber nach, auch nach Covid-19 das Homeoffice stärker in den Fokus zu rücken. Das hat natürlich Auswirkungen auf die neue Entwicklung von Büros. Dem stationären Einzelhandel geht es derzeitig einfach dreckig, was natürlich Auswirkungen auf das wirtschaftliche Geschehen haben wird. Auch an Gebäuden wird Veränderung stattfinden, vor allen an denjenigen, die nicht mehr so wie bislang genutzt werden können. Die Frage nach dem Umgang mit dem Bestand wird relevanter denn je und dies führt wiederum zu Planungsarbeit und in der Folge dessen natürlich auch zu Bauleistungen, insbesondere im Umbaubereich. Insofern ist die planende Zunft vielleicht in der Krise eine, die nicht ganz so stark leiden wird wie manch andere. Das Ausland beobachtet derzeit, dass Deutschland im Umgang mit dieser Pandemie relativ erfolgreich ist. Wenn wir in Deutschland gut mit einer Pandemie umgehen können, dann traut man uns natürlich auch anderes wieder etwas mehr zu, auch wenn wir in Berlin einen Flughafen völlig versemmelt haben, was das Ausland ja durchaus registrierte. Wir müssen solche Schwachstellen, solche Scharten wieder auswetzen. Der gute Ruf, dass wir Deutsche Dinge erfolgreich auf die Reihe kriegen, muss in der Welt erhalten bleiben, sonst werden wir nicht Export-Vizeweltmeister bleiben können.
Wir stehen am Anfang einer schweren weltweiten wirtschaftlichen Krise und selbstverständlich wird das auch unsere Branche mehr oder minder erfassen. Ich glaube, dass wir viel erleiden werden. Und wie lange diese Geschichte noch andauert, weiß ich nicht.
3. Krisen bieten auch Chancen, viel zu überdenken und einen Perspektivwechsel einzuleiten. Welche Chancen sehen Sie für sich und für Ihr Büro?
Matthias Pfeifer: Das Gute ist, dass wir den Umgang mit neuen Techniken lernen. Das ist eine andere Art der Zusammenarbeit unter den Kollegen innerhalb des Büros. Die Chance besteht darin, dass wir den Blick nochmals weiten und schauen, was wir zukünftig noch besser gestalten können. Mit acht Gesellschaftern sind wir bei RKW ohnehin sehr breit aufgestellt. Das ist schon ein großer Vorteil. Und diese acht Gesellschafter werfen jetzt ihren Blick überall hin und beobachten, wie die Welt sich entwickelt, um sie möglichst zeitnah zu verstehen. Wir tauschen uns darüber wöchentlich aus, sodass wir glauben, doch sehr gut am Zahn der Zeit zu sein.
4. Bietet Corona Ihrer Einschätzung nach dem Architekten die Chance, sein Berufsbild in der Krise neu zu positionieren?
Matthias Pfeifer:Ja, das könnte sein. Der Architekt hat ja nun die Fähigkeit, von seiner Disziplin aus Dinge sehr breit zu betrachten, also aus verschiedenen Standpunkten. Gute Architekten haben ja keine einseitige Brille auf, sondern sie können verschiedene Aspekte berücksichtigen. Sie verstehen die Belange ihrer Bauherren, die auch sehr stark wirtschaftlich geprägt sind. Sie verstehen aber auch soziale Belange, wie Gesellschaft funktioniert und welchen Beitrag Architektur und Gebäude zu gesellschaftlichen Entwicklungen leisten. Das wird den Architekten auch abverlangt, denn so betrachten ja z.B. die Kommunen die Projekte. Größere Projekte haben immer einen solchen gesellschaftlichen Impetus in sich. Und letztendlich sind Architekten auch Ingenieure, also auch Techniker und können Dinge nicht nur sehen und verstehen, sondern auch zu Lösungen beitragen. Wir sind sozusagen als Architekten die Weltmeister des Halbwissens. Das ist der große Vorteil, dass wir alles betrachten können. Der große Nachteil ist, dass am Tisch immer noch einer sitzt, der den einzelnen Aspekt jeweils genauer kennt. Das ist Wohl und Wehe unseres Berufs. Ich glaube, gerade in schwierigen und komplexen Situationen ist die Sichtweise aus verschiedenen Blickwinkeln essentiell wichtig; und neben Fachspezialisten brauchen wir immer Leute, die das Große und Ganze gleichzeitig im Blick halten.
Die Unternehmen denken darüber nach, auch nach Covit-19 das Homeoffice stärker in den Fokus zu rücken. Das hat natürlich Auswirkungen auf die neue Entwicklung von Büros. Es wird darüber hinaus viele Insolvenzen geben und dadurch wird viel Bürofläche leer stehen.
5. Es ist nichts Neues, dass Gesundheitskrisen unser Zusammenleben langfristig verändert haben. In Zeiten der zunehmenden Globalisierung ist davon auszugehen, dass Corona nicht die letzte Pandemie ist. Müssen wir in Bezug auf unsere Architekturen umdenken?
Matthias Pfeifer: Es gibt einen gravierenden Unterschied zu bisherigen Gesundheitskrisen. Die Cholera in Hamburg Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zum Beispiel hat natürlich zu städtebaulichen und technischen Veränderungen geführt, denn es wurde die Kanalisation eingeführt. Die mittelalterlich geprägten sehr engen Gängeviertel wurden abgerissen und stattdessen größere Freiräume mit mehr Durchlüftung, Licht, und Sonne geschaffen. Corona lässt sich weder durch Kanalisation noch durch Licht, Luft und Sonne eindämmen. Ich sehe von daher eigentlich keinen Zusammenhang mit wirklich baulichen Fragestellungen. Ganz anders eben, als es bei der Cholera war. Im Moment sind wir ja betroffen in dem, was wir tun. Das ist übrigens sehr interessant: Die Rücknahme von verschiedenen Einschränkungen ist ein großes gesellschaftliches Experiment, weil in der Tat ja nicht primär die technischen Lösungen zu Erfolgen in der Eindämmung der Pandemie führen, sondern vor allem das verantwortungsvolle Handeln der Menschen selbst. Also jeder einzelne ist gefragt, wie er sich benimmt. Das zeigt meines Erachtens, dass bauliche Veränderungen keine wirklich relevante Größe sind. Auch nicht im Wohnungsbau? Ja, immer sekundär sozusagen. Ich halte es nicht für notwendig, dass der Wohnungsbau geändert werden muss, um eine Pandemie einzudämmen. Aber die Sekundäreffekte sind natürlich groß. Wenn jetzt mehr Homeoffice Einzug hält, dann nutzen die Menschen ihre Wohnungen natürlich anders und das kann sehr wohl Auswirkungen auf den Wohnungsbau und die Ansprüche an die Wohnungen haben.
6. Der Presse und dem Internet ist zu entnehmen, dass viele Unternehmen ihren Büroflächenbedarf schon im Sinne von Einsparungspotenzialen drastisch hinterfragen und sich auch womöglich von starren Strukturen trennen werden. Das heißt, klassische Büroimmobilien werden teils überflüssig. Marktexperten halten es für realistisch, dass mindestens ein Fünftel der Arbeitsplätze dauerhaft dem Büromarkt entzogen werden.
Matthias Pfeifer: Ich gehe fest davon aus, dass wir einen signifikanten Nachfragerückgang im Bereich des Büromarktes erleben werden. Unterschiedliche Parameter weisen in die gleiche Richtung. Zum einen machen wir die positiv erlebte Erfahrung mit dem Homeoffice. Zum anderen werden wir in eine tiefe Wirtschaftskrise gleiten, was alle dazu schwingen wird, den Gürtel enger zu schnallen. Unternehmen müssen Kosten einsparen und Büroflächen möglichst knapp halten. Es wird darüber hinaus viele Insolvenzen geben und dadurch wird viel Bürofläche leer stehen
Die Frage nach dem Umgang mit dem Bestand wird relevanter denn je und dies führt wiederum zu Planungsarbeit und in der Folge dessen natürlich auch zu Bauleistungen, insbesondere im Umbaubereich. Insofern ist die planende Zunft vielleicht in der Krise eine, die nicht ganz so stark leiden wird wie manch andere.