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Kö-Quartier, Düsseldorf

© Kö-Quartier: caspar./HGEsch

Interview mit Caspar Schmitz-Morkramer, Gründer und Inhaber, caspar.

Caspar Schmitz-Morkramer (*1973) wuchs in Frankfurt a. M., Mannheim und New York auf. Nach dem Abitur lernte er klassisches Zeichnen bei Charles H. Cecil in Florenz. Im Anschluss studierte er Architektur in Aachen und Berlin, wo er 1999 auch sein Diplom ablegte. Schon während seines Studiums sammelte er 1995 Berufserfahrung bei Murphy/Jahn in Chicago und 1998 im Renzo Piano Building Workshop in Genua. Nach seinem Studium arbeitete er von 1999 bis 2004 bei KSP Engel und Zimmermann Architekten in Köln. 2004 gründete Caspar Schmitz-Morkramer mit Holger Meyer das Architekturbüro meyerschmitzmorkramer, seit 2019 geht er mit seinem Büro caspar. neue Wege. Heute arbeiten 100 Mitarbeiter an den Bürostandorten Köln und Hamburg. Caspar Schmitz-Morkramer wurde international bekannt für Revitalisierung der mehrfach ausgezeichneten Abtei Michaelsberg in Siegburg.

1. Es gibt Menschen, die behaupten, wir stehen derzeit an einer Wegegabelung der Menschheitsgeschichte. Stimmen Sie dem zu?

Caspar Schmitz-Morkramer: Nein, das tue ich nicht. Ich würde es nicht so dramatisch sehen, noch kennen wir die Folgen der Pandemie nicht. Insofern müssen wir mit der Voraussage der Zukunft vorsichtig sein, sollten an dieser Stelle lieber ein wenig Bescheidenheit walten lassen. Die Generationen vor uns haben ganz andere Dinge erlebt. Insofern fände ich es vermessen, von einer Wegegabelung der Menschheitsgeschichte zu reden. Wir sind mit einer Einmaligkeit konfrontiert, die sehr große Auswirkungen haben wird. Sie wird unser soziales Verhalten und unser Denken verändern. Noch bleibt die Frage offen, wie lange die Pandemie anhält, wie heftig sie noch werden und welche tiefergehenden Auswirkungen sie haben wird. Wenn wir die Pandemie in den nächsten Monaten wieder loswürden, was ich allerdings nicht glaube, dann hätten wir meiner Vermutung nach in zwei Jahren wieder eine Normalität. Wenn uns die Pandemie allerdings drei weitere Jahre beschäftigt, werden wir neue Gewohnheiten und Dinge adaptieren, die wir uns dann auch nicht mehr abgewöhnen werden und wollen.

2. Bietet die Krise auch Chancen?

Caspar Schmitz-Morkramer: Ja, natürlich. Krisen haben auch Vorteile. Sie decken viele Schwächen auf, die vorher schon längst existierten, die wir einfach nicht gesehen haben. Sie bieten die Möglichkeit, viele Dinge einmal anders zu hinterfragen. In den letzten fünf Monaten hat sich so unglaublich viel verändert. Zunächst sprachen wir alle von Entschleunigung, jetzt haben wir das Gefühl – zumindest in unserem Bereich – in einer Hyperbeschleunigung unterwegs zu sein. Es bleibt spannend. Eine Erkenntnis, die wir gewonnen haben, ist sicherlich, dass Vieles auch anders geht. Wir waren gezwungen, Arbeitsprozesse zu verändern und haben gesehen, dass es trotzdem sehr gut funktioniert. Das Arbeiten von zu Hause ist seit Corona auf dem Vormarsch und wird uns sicherlich auch zukünftig begleiten. Auch unsere hohe Reisetätigkeit werden wir überdenken und sicherlich einschränken. Weiterhin werden wir unser Konsumverhalten deutlich verändern. Wir haben bereits vor der Corona-Krise einen intensiven lab report „retail in transition“ herausgegeben, im Rahmen dessen wir uns mit den Fragen des Wandels im Handel beschäftigt haben. Vor allen Dingen mit dem Einfluss auf Stadt und Innenstadt. Die Tendenzen, die schon längst erkennbar waren, sind durch die Krise nur beschleunigt worden. Es wird große Veränderungen geben und alle Lebensbereiche treffen. Und die Veränderungen bestehen zum Großteil aus Chancen. Insofern müssen wir vor den Folgen der Pandemie nicht ängstlich sein. Ich habe die Hoffnung, dass vielleicht wieder eine andere Wertschätzung für den Raum, sei es der öffentliche oder private Raum, entsteht und man das Lokale wieder mehr wertschätzt. Man verbringt seit Corona deutlich mehr Zeit zu Hause und im Büro und ist damit viel ortsgebundener als früher.

In Bezug auf die Bürowelt ist alles das, was wir zurzeit beobachten, ein Bündel von Trends, die vorher schon existierten. Seit Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit der Frage, inwiefern sich die Lebensqualität am Arbeitsplatz verändern sollte. Das heißt, der Anspruch an das Büro ist vielfältiger geworden. Heute arbeiten wir im Büro sehr viel kommunikativer und teambasierter, als das früher der Fall war, und wir benötigen mehr Austauschplattformen.

3. Sie haben u.a. eine große Expertise im Bürobau. Diese Bautypologie unterliegt derzeit vielen Spekulationen. Wie wird sich die Bürowelt Ihrer Meinung nach verändern?

Caspar Schmitz-Morkramer: In Bezug auf die Bürowelt ist alles das, was wir zurzeit beobachten, ein Bündel von Trends, die vorher schon existierten. Seit Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit der Frage, inwiefern sich die Lebensqualität am Arbeitsplatz verändern sollte. Das heißt, der Anspruch an das Büro ist vielfältiger geworden. Heute arbeiten wir im Büro sehr viel kommunikativer und teambasierter, als das früher der Fall war, und wir benötigen mehr Austauschplattformen. Die Frage, die am relevantesten ist: Wie arbeiten wir gut und konzentriert? Durch Home- Offices arbeiten wir zunächst flexibler, was ja wiederum bedeutet, dass wir uns Gedanken darüber machen sollten, wie wir im Büro andere Situationen schaffen können. Mitarbeiter werden sich von der Telefonzelle bis hin zum Konferenzraum alle möglichen Arbeitsplatzsituationen individuell buchen können, was für den Praktikanten bis hin zum Partner gilt. Es wird in vielen Bereichen keine festen Arbeitsplätze mehr geben, der Trend zum Desksharing wird sich verstärken. Sicherlich wird man aufgrund der Pandemie nochmals anders über die Kompaktheit von Arbeitsplätzen nachdenken. Ich denke speziell an die Coworking-Anbieter, die sowohl in ihren Großraumsituationen als auch in ihren vermieteten Bürosituationen sehr kompakte Arbeitsplätze angeboten haben. Wir waren vor vielen Jahren selber einmal in Hamburg an der Anmietung interessiert, hatten damals allerdings das Problem, mit den 1,30 m x 65 cm tiefen Tischen auszukommen. Das wird man in dieser Form nicht mehr anbieten können. Trotzdem glaube ich, dass das Konzept des Coworking ein hochinteressantes ist und es Chancen bietet. Für größere Firmen ist es eine Option, nicht nur in einer Zentrale, sondern in mehreren dezentralen Hubs zu denken, um die Büroarbeitsplätze in die Nähe der Mitarbeiter zu bringen und damit deren Anreisezeit zu verringern. Wir selber werden das im übrigem auch bei uns umsetzen. Wir haben gerade eine Umfrage gestartet und die Mitarbeiter befragt, ob und wie sie von zu Hause arbeiten wollen und welche Möglichkeiten sich ihnen zu Hause bieten.

4. Wenn jetzt das Büro nicht mehr der Arbeitsort mit Pflichtaufenthalt ist, stellt sich die Frage, was das Büro als bisheriges stationäres Headquarter eines Unternehmens zukünftig leisten muss?

Caspar Schmitz-Morkramer: Die Energie in der Schaffung neuer Büroarbeitsplätze zielt dorthin, die Arbeitsplätze im Büro so attraktiv zu machen, dass die Mitarbeiter gerne ins Büro kommen und dort möglichst mehr und nicht weniger Zeit verbringen wollen. Das Büro ermöglicht zwischenmenschliche Begegnungen, die wiederum viel Positives erzeugen. Wenn ich von zu Hause arbeite, arbeite ich womöglich konzentrierter, aber ich arbeite nur an dem, an dem ich arbeiten soll. In unserem Fall erledigt der Mitarbeiter die konkrete Projektarbeit von zu Hause vielleicht effizienter, als er das im Büro machen kann. Aber die ganzen kleinen Teile, die zusammen die Stärke eines Büros und einer Bürogemeinschaft ausmachen, gehen verloren. Wir wollen ja auch Erfahrungen weitergeben. Es ist wichtig, dass die älteren Kollegen die jüngeren heranführen können oder dass die Neugier der Jungen auf die Älteren überspringt. Insofern glaube ich, dass wir eher eine Renaissance als ein Abgesang des Büros erleben werden. Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt hat. Die Mitarbeiter haben heute ganz andere Ansprüche, als das noch vor zehn oder fünfzehn Jahren der Fall war. Nicht wirtschaftliche Aspekte können heute entscheidend für die Wahl eines Arbeitgebers sein, die Menschen wollen wissen, wo und mit wem sie zusammenarbeiten, möchten Kollegen finden, die zu ihnen passen. Sie suchen eine Bürogemeinschaft, auf die sie sich verlassen können, in der Loyalität und ein Wir-Gefühl existiert. Deshalb wird das Büro nach wie vor eine ganz, ganz starke und wichtige Rolle einnehmen.

Die Energie in der Schaffung neuer Büroarbeitsplätze zielt dorthin, die Arbeitsplätze im Büro so attraktiv zu machen, dass die Mitarbeiter gerne ins Büro kommen und dort möglichst mehr und nicht weniger Zeit verbringen wollen. Das Büro ermöglicht zwischenmenschliche Begegnungen, die wiederum viel Positives erzeugen.

5. Werden sich Architekten zukünftig aufgrund von Leerständen bestimmter Bautypologien mehr mit Umbau- und Sanierungsaufgaben beschäftigen?

Caspar Schmitz-Morkramer: Natürlich profitieren wir Architekten ungemein von Veränderungen. Seit unserer Gründung 2004 haben wir uns immer mit Revitalisierung und Umnutzungen beschäftigt. Wir machen circa dreißig Prozent unserer Bauprojekte im Bestand. Ich denke, dass es ein nachhaltiger Trend ist, sich mit Sanierung und mit Umbauthemen zu beschäftigen. Wir reden heutzutage viel über Nachhaltigkeit und Ökologie. Die höchste Energieverschwendung aber ist, neu zu bauen. Wenn die Chance besteht, etwas zu nutzen, dann sollte man das auch tun. Es steckt wahnsinnig viel Potenzial in Bestandsgebäuden. Es ist auch für die Identität unserer Städte wichtig, dass wir sie nicht andauernd verändern, sondern dass wir Gewohnheiten belassen und respektieren. In Bezug auf die Entwicklung der Bürolandschaft bin ich mir noch nicht sicher. Einige größere Firmen gehen jetzt tatsächlich das Thema Home-Office massiv an. Das wird oft in Zusammenhang mit Miet- und Flächeneinsparungen gebracht. Meines Erachtens ist das ein brandgefährlicher Trend, und ich persönlich halte nichts davon. Einen ordentlichen Arbeitsplatz zu stellen, ist Aufgabe des Arbeitgebers und nicht der Mitarbeiter. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden natürlich nicht nur das produzierende Gewerbe betreffen, sondern auch das dienstleistende. Und dadurch wird es natürlich auch weniger Bedarf an Arbeitsplätzen geben. Wie sich der Bedarf an Büroflächen oder auch anderen Leerflächen tatsächlich entwickeln wird, unterliegt derzeitig der Spekulation.

6. Die Krise hat uns neue Regeln auferlegt, die uns vermutlich auch in Zukunft begleiten werden. Fordern diese neue Regeln Ihre Kreativität neu heraus oder sind es nur unbedeutende Begleiterscheinungen?  

Caspar Schmitz-Morkramer: Nein, die Regeln sind tatsächlich keine Begleiterscheinungen. Was größere Abstände und alle anderen Hygienemaßnahmen betrifft, werden wir uns zukünftig darauf einstellen müssen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir uns in den nächsten drei Jahren die Hand geben werden, wie wir das früher gemacht haben. Natürlich werden wir uns als Architekten mit Abtrennungen und Abständen beschäftigen müssen und dies gilt für alle Bereiche des Lebens und in allen Formen oder in allen Typologien der Architektur. Wie bereits erwähnt, wird beim Coworking dieses total enge und knirsche Belegen von Arbeitsplätzen nicht mehr funktionieren. Besonders schwierig wird es im Bereich der Schulbauten werden, die Abstände bei diesen riesigen Klassenverbünden in Kombination mit einem geringen Platzangebot einzuhalten. Die Regeln haben also einen großen Einfluss auf das Miteinanderumgehen und letztlich auch auf die Architektur. Blickt man zurück in die Vergangenheit, so hat es häufig Veränderungen in der Geschichte gegeben, oft durch Pandemien ausgelöst. Auch die Spanische Grippe hat schwerwiegende Folgen auf die Architektur, den Städtebau und die Bautypologien gehabt. Und so wird sicherlich auch Corona eine große Rolle spielen und uns natürlich weiterhin begleiten, allein, wenn wir an die Dichte auf Bahnhöfen, Flughäfen et cetera denken, die wir uns in der Form sicherlich so nicht mehr wünschen werden.

Die Mitarbeiter haben heute ganz andere Ansprüche, als das noch vor zehn oder fünfzehn Jahren der Fall war. Nicht wirtschaftliche Aspekte können heute entscheidend für die Wahl eines Arbeitgebers sein, die Menschen wollen wissen, wo und mit wem sie zusammenarbeiten, möchten Kollegen finden, die zu ihnen passen. Sie suchen eine Bürogemeinschaft, auf die sie sich verlassen können, in der Loyalität und ein Wir-Gefühl existiert. Deshalb wird das Büro nach wie vor eine ganz, ganz starke und wichtige Rolle einnehmen.

Caspar Schmitz-Morkramer
Gründer und Inhaber, caspar.

ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW

caspar.

Das Büro caspar. arbeitet international und entwickelt Lösungen für Neubauten, Umnutzungsideen für Bestandsgebäude und innenarchitektonische Konzepte. Die Projekte reichen von städtebaulichen Planungen, Wohngebäuden und Büros über Einzelhandel, Hotels und Tagungshäuser bis hin zu Schulen und Kulturbauten. Die Architektur ist vom Leitgedanken Maßstab Mensch geprägt. Sie reagiert auf digitale Transformation. Und begreift Stadtquartiersplanung, Stadtreparatur und Innenarchitektur als Chance, um individuellen Raum für die optimale Entfaltung des Menschen zu schaffen. Das bürointerne Forschungsteam caspar.esearch widmet sich aktuellen Fragestellungen der Stadtentwicklung. Im November 2019 erschien der erste lab report „retail in transition“.

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