Referenz: Sundskolen Schoolyard Sora
Interview mit Werner Frosch, Partner und Managing Director | Henning Larsen Architects
Geboren in München
Architekturstudium an der Technischen Universität München
2002 bis 2011 Architekt bei Henning Larsen in Kopenhagen
2011 Gründung des Münchner Büros von Henning Larsen
2011 Geschäftsführer der Henning Larsen GmbH
2014 Partner bei Henning Larsen Architects
2015 Mitglied des Deutschen Werkbunds Bayern
2019 1. Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Werkbunds Bayern
Tätig als Architekt, Projektdirektor, Preisrichter, Vortragsredner, Fachberater in Gremien
1. Wie beurteilen Sie die langen Monate der hinter uns liegenden Krise als Partner eines international erfolgreichen Architekturbüros?
Werner Frosch: Aus dem Münchener Büro von Henning Larsen bedienen wir den gesamten deutschen Markt, unsere Haupttypologien sind neben Büros auch Universitäts- und Forschungsgebäude bis hin zu Kulturbauten. Wir sind im letzten Jahr sehr gut durch die Krise gekommen und waren überrascht, wie gut es in allen unseren weltweit tätigen Büros funktioniert hat, von Büroarbeit auf homeoffice umzustellen. Das liegt zum einen in der Infrastruktur, zum anderen aber an den äußerst anpassungsfähigen und engagierten Mitarbeitern, die wirklich ihr Bestes geben und konzentriert an den Projekten arbeiten. Zu Beginn des Jahres 2020 hatten wir das Glück, dass einige Projekte gerade anliefen und uns so gut durch die ersten Monate getragen haben. Auch neue Projekte sind angelaufen, bei denen wir uns sicher sind, dass sie zur Umsetzung kommen. Natürlich ging es bei manchen Projekten etwas langsamer als erwartet, da behördliche Gänge und Verfahren etwas langsamer geworden sind. Es ist aber so wichtig, Projekte zu haben, die durch die Krise nicht gestoppt werden. In Duisburg haben wir beispielsweise einen öffentlichen Bauherrn für einen Bildungsbau, der sich durch die Krise nicht beirren ließ und mit uns das Projekt weiterplante, als ob nichts wäre. Nur mit dem Unterschied, dass wir bisher noch kein einziges physisches Meeting mit dem Bauherrn hatten. In den letzten Wochen und Monaten konnten wir dennoch eine Tendenz feststellen, die eine höhere Unsicherheit und Zaghaftigkeit zeigt. Erste Projekt wurden gestoppt oder pausiert, und so merken auch wir gerade eine Unsicherheit, die die Entscheidungen beeinflusst. Dennoch haben wir auch international viele Bauherren, die sich durch die Krise nicht abschrecken lassen und Projekte starten. In Zuge dieser Krise gibt es auch starke Unterschiede zwischen den Büros, ausgehend natürlich von der lokalen Situation: Das Kopenhagener Büro ist sehr exportorientiert, für sie war und ist es wesentlich schwieriger, Kontakte zu internationalen Bauherren aufrecht zu erhalten. Aber auch hier gingen die Projekte weiter: wir haben beispielsweise ein Projekt in Australien, das die Kollegen in Kopenhagen derzeit besonders fordert. Der Zeitverschiebung geschuldet haben sie um 05:00 Uhr in der Früh die ersten Meetings. Ursprünglich planten wir die Eröffnung einer eigenen Dependance in Australien, was letztlich aufgrund von Corona nicht möglich war. Jetzt alles über Onlinemeetings zu organisieren, ist natürlich eine große Herausforderung, aber: es hat sich gezeigt, dass es klappen kann, wenn alle mitmachen – ohne persönliche Meetings, ohne viele Reisen und Flugstunden – und das ist wohl die positive Veränderung in dieser Zeit.
2. Welche Gedanken und Gefühle haben Sie als Privatperson?
Werner Frosch: Ich empfinde die Zeit als ungeheuer anstrengend. Ausschließlich über Teams und das Telefon zu arbeiten und nur über die digitalen Medien Kontakte mit den Bauherren und den Kollegen zu pflegen ist nicht zufriedenstellend. Hinzu kommt die familiäre Komponente: In dieser Zeit Job, Familie, Kinder- und Schulbetreuung unter einen Hut zu bekommen, ist für alle Kollegen extrem belastend. Durch den Lockdown ist man natürlich eingeschränkt und muss sein Leben neu umstellen, insgesamt also eine enorme Herausforderung. Und Allen fehlen im Besonderen die sozialen Kontakte – im Beruf wie im Privaten.
Die ein-zu-eins Wissensvermittlung eines Professors an sein Studenten wird sicher durch das Internet und durch die digitalen Medien ersetzt. Unser Ansatz bei Henning Larsen ist, dass ein Großteil des Wissens und des Lernens nicht in diesen Auditorien passiert, sondern in Räumen dazwischen, in der Interaktion der Studenten miteinander, in der Gruppenarbeit, in der Bearbeitung des gehörten zu einem Gelernten, also in der Umsetzung des Gelernten in etwas Neues. Dafür sind soziale Räume und Universitäten auch in Zukunft unabdingbar.
3. Der Präsident der OTH Regensburg bezeichnete Ihren Entwurf für den Neubau der Fakultät Architektur und Verwaltung dort vor Ort als einen Quantensprung für die Lehre. Dem schloss sich auch die bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr an und lobte Ihre modernen Lernkonzepte, die Interdisziplinarität förderten. Was ist die Kernidee dieses Projektes?
Werner Frosch: Das Hauptkonzept dieses Gebäudes besteht in der von uns dort eingeführten Lernspirale bzw. dem Raumkontinuum. Es handelt sich um einen über alle Geschosse durchgängigen Raum, der über Treppen verbunden ist und in dem sich sozusagen die gesamten Lern- und Arbeitsräume der Studenten aus den unterschiedlichen Fakultäten verbinden. Es gibt also keine Trennung zwischen den verschiedenen Arbeitsräumen oder Themenbereichen, sondern alle sind Teil eines gesamten Ganzen. Insgesamt sind in dem Gebäude vier unterschiedliche Fakultäten gestalterischer Berufe untergebracht, sie benötigen Übungs- und Arbeitsräume. Es zeichnen sich zwei Tendenzen ab, die derzeit diskutiert werden: Die eine Richtung ist das zunehmende Homeoffice und die andere das Umfunktionieren von Gebäuden zu sozialen Treffpunkten, die extrem wichtig sind und die wir auch brauchen. Hier bietet die OTH eine Bühne, wo sich Leute zukünftig treffen können. Trotz aller Corona-Maßnahmen und Notwendigkeiten ist der soziale Kontakt und das Lernen miteinander das Alpha und Omega.
4. Seit Corona wurde die Wissensvermittlung nochmals stärker in Richtung Digitalisierung verschoben, man trifft sich kaum noch analog in den Universitäten. Benötigen wir heute noch 50-Millionen-Euro-Fakultäten wie die in Regensburg?
Werner Frosch:Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Wissensvermitteln und dem Wissenserarbeiten. Man kann die Notwendigkeit großer Auditorien, in die sich 200 bis 400 hundert Menschen zwängen, um einem Professor zuzuhören, hinterfragen. Die eins-zu-eins-Wissensvermittlung eines Professors an seine Studenten wird sicher durch das Internet und durch die digitalen Medien ersetzt. Man kann sich die Vorlesung streamen und sie sich anhören, wenn man Lust oder Zeit dazu hat. Unser Ansatz bei Henning Larsen ist, dass ein Großteil des Wissens und des Lernens nicht in diesen Auditorien passiert, sondern in Räumen dazwischen, in der Interaktion der Studenten miteinander, in der Gruppenarbeit, in der Bearbeitung des Gehörten zu einem Gelernten, also in der Umsetzung des Gelernten in etwas Neues. Und dafür sind soziale Räume und Universitäten auch in Zukunft unabdingbar. Wir sind überzeugt, dass ein Büro- oder ein Universitätsgebäude auch in Zukunft seine Bedeutung haben wird. Die Funktionen und ihre Anteile verschieben sich, aber die Gebäude als soziale Orte werden wir weiter behalten müssen.
Die ein-zu-eins Wissensvermittlung eines Professors an sein Studenten wird sicher durch das Internet und durch die digitalen Medien ersetzt. Unser Ansatz bei Henning Larsen ist, dass ein Großteil des Wissens und des Lernens nicht in diesen Auditorien passiert, sondern in Räumen dazwischen, in der Interaktion der Studenten miteinander, in der Gruppenarbeit, in der Bearbeitung des gehörten zu einem Gelernten, also in der Umsetzung des Gelernten in etwas Neues. Dafür sind soziale Räume und Universitäten auch in Zukunft unabdingbar.
5. Die Baubranche ist nach wie vor kompetitiv ausgerichtet. Was kann Architektur zu mehr Interdisziplinarität beitragen? Ist Ihrer Gebäude in Regensburg ein Best Practice Beispiel?
Werner Frosch: Bei Henning Larsen leben wir Interdisziplinarität innerhalb des Büros, sie ist Teil unserer Arbeitsweise und Methodik. Seit Jahren sind bei uns neben Architekten auch Ingenieure, Anthropologen und Soziologen angestellt, sie sind immer Teil des Entwurfsprozesses und der Ergebnisse. Wir versuchen also, durch bürointerne Forschung Wissen zu generieren, wovon wir bei der Generierung von Design und architektonischer Gestalt profitieren. Als Architekten tragen wir mit unseren Gebäuden besonders dazu bei, Interdisziplinarität zu fördern. Durch die Schaffung von Räumen, die einen Austausch ermöglichen und die dazu animieren, dass verschiedene Fachbereiche zusammenkommen und experimentieren. Wir beobachten gerade in den jüngeren Generationen eine zunehmende Nachfrage, sich über den Austausch mit anderen zu spiegeln und Gedanken auszutesten und Projekte interdisziplinär aufzusetzen. Neben der Architektur ist aber auch die Art der Lehre entscheidend. Wie stark ist eine Universität dem Silodenken verhaftet, wie stark öffnet sie sich, dass sich verschiedene Bereiche zusammenfinden, die vielleicht per se eigentlich nichts miteinander zu tun hätten?
6. Nachhaltigkeit im Sinne der Einsparung von Ressourcen beschäftigt die Baubranche seit Jahren. Allerdings werden Zertifizierungen, Zahlen, Daten und Fakten gefeiert, während die Bedürfnisse der Menschen oftmals in den Hintergrund zu rücken scheinen. Löst Corona womöglich ein Umdenken aus und stellt die Menschen wieder mehr in den Fokus der Planungen?
Werner Frosch: Das wird sich zeigen. Bei Henning Larsen war und ist der Mensch immer im Zentrum der Planungen, da ein Gebäude in erster Linie dazu dienen sollte, dass sich der Mensch darin wohl fühlt, kreativ entwickeln kann und dort optimale Bedingungen für seine berufliche oder studentische Tätigkeit vorfindet. Nachhaltigkeit impliziert ja nicht unbedingt Gesundheit. Das heißt, wir planen zwar nachhaltige Gebäude, die aber – beispielsweise in Bezug auf die Dichte oder die klimatischen Bedingungen – nicht unbedingt per se gesund für den Menschen sein müssen. Corona wird sicher in den kommenden Monaten und Jahren in Bezug auf Fragen der Hygiene, der Lufthygiene und des Luftaustausches große Themen auslösen. Wir überdenken derzeit bei manchen Projekten die Rückkehr zu Zellenbüros, in denen jeder in seinem eigenen Raum sitzt und sich damit keiner Gefahr einer Ansteckung aussetzt. Es gibt momentan somit unterschiedliche Richtungen: während die eine die Gesundheit der Menschen im Fokus hat, verfolgt die andere das Ziel, Menschen zusammenzubringen, die sich nach einem Austausch sehnen. Diesen sozialen Bedürfnissen muss man in der Architektur gerecht werden, aber genauso den höheren Anforderungen an Hygiene und Abstand, die das Layout und die Einrichtung der Büros verändern werden.
Die ein-zu-eins Wissensvermittlung eines Professors an sein Studenten wird sicher durch das Internet und durch die digitalen Medien ersetzt. Unser Ansatz bei Henning Larsen ist, dass ein Großteil des Wissens und des Lernens nicht in diesen Auditorien passiert, sondern in Räumen dazwischen, in der Interaktion der Studenten miteinander, in der Gruppenarbeit, in der Bearbeitung des gehörten zu einem Gelernten, also in der Umsetzung des Gelernten in etwas Neues. Dafür sind soziale Räume und Universitäten auch in Zukunft unabdingbar.
Henning Larsen Architects
Ist ein internationales Architekturbüro mit skandinavischen Wurzeln. Das physische Umfeld wird von Henning Larsen in jedem Maßstab geformt, herausgefordert und verändert – beginnend beim städtischen Raum über die Gebäude bis hin zur Innenarchitektur – mit der Zielsetzung, den Nutzern ein Design zu bieten, das visionär, verständlich und nachhaltig ist. Die Entwurfsansätze von Henning Larsen reichen weit über die physische und visuelle Wirkung eines Projektes hinaus, denn es wird die Entwicklung lebendiger Gebäude, die nachhaltig und wertschöpfend sind, angestrebt. Davon profitieren sowohl die Nutzer und als auch die Gesellschaft und Kultur, in der sie gebaut werden. Das breitgefächerte Portfolio von Henning Larsen umfasst Büro- und Verwaltungsgebäude, Konzernzentralen, Bildungs- und Forschungsgebäude, Bauten für Kunst und Kultur, Städtebauprojekte sowie Nachhaltigkeitsforschung und -beratung. Seit der Gründung 1959 hat Henning Larsen Projekte in über 20 Ländern realisiert und beschäftigt heute mehr als 300 Mitarbeiter in seinen Büros in Kopenhagen, München, New York, Oslo, Riad, Hong Kong und auf den Färöern.