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Links im Bild: Florian Wiesler, Rechts im Bild: Tobias Schmidt

Interview mit Sebastian Händel und Marcus Junghans, Geschäftsführer, HJA Architekten

Marcus Junghans, geb. 1977 in München, absolvierte sein Architekturstudium an der Bauhaus Universität in Weimar sowie der Technischen Universität in Wien. Nach seinem Studium sammelte er im renommierten Münchner Büro Steidle Architekten Erfahrungen in zahlreichen Wettbewerbsteilnahmen und als Projektleiter. Seit 2008 arbeitet er als Geschäftsführer von Händel Junghans Architekten mit Schwerpunkt Wohnungsbau und Bürobauten. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich Marcus Junghans ehrenamtlich u.a. im Berufsverband freischaffender Architekten und Bauingenieure als 3. Vizepräsident, ist Mitglied der Beratergruppe und Kompetenzteam Vergabe und Wettbewerb sowie der Vertreterversammlung der Bayerischen Architektenkammer und Mitglied im Landes- und im Verwaltungsausschuss der Bayerischen Architektenversorgung. Mitte 2019 wurde er für drei Jahre als Mitglied in den Baukunstbeirat der Stadt Augsburg berufen.

Sebastian Händel, geb. 1974 in München, studierte an der Bauhaus Universität in Weimar und an der Virginia Tech in Alexandria, Washington D.C.. 1999 bis 2005 arbeitet er im Architekturbüro Steidle + Partner an Wohn- und Bürobauprojekten bis er 2005 in eine eigene Bürogemeinschaft wechselte. (Architekturbüro Dycka Händel). 2008 schließlich gründete er mit Marcus Junghans das Architekturbüro Händel Junghans Architekten. Neben dem Bereich Wettbewerbe und Wettbewerbsbetreuung gehören ebenso Kleinstprojekte wie der Bau eines Fahrradhäuschens in einem Hinterhof wie große Wohnungsbauanlagen zu seinen Projekten. Er ist Mitglied im Werkbund Bayern.

Links im Bild: Marcus Junghans, Rechts im Bild: Sebastian Händel

1. Wie hat sich Ihr unternehmerischer Alltag durch Corona als Architekten verändert?

Sebastian Händel u. Marcus Junghans: Wir sind kurz vor Corona in unsere neuen Büroräume umgezogen, es sind 550 Quadratmeter Bürofläche auf zwei Etagen. Sie waren von einem Tag auf den anderen plötzlich fast leer. Die Krise hat unseren unternehmerischen Alltag also gänzlich verändert, wir mussten die Kommunikation komplett umstellen, sind seitdem nur noch beim Telefonieren, man kommt zu eigentlich nichts anderem mehr. Als Geschäftsführer mussten wir uns plötzlich um ganz neue Themen kümmern: wie und wo unsere Mitarbeiter arbeiten, wie viele ins Büro kommen dürfen und so weiter. Die gesamte Umorganisation hat viel Zeit in Anspruch genommen. Die Kommunikation zu unseren Auftraggebern hat aber weiterhin sehr gut funktioniert, sie waren nach kurzer Eingewöhnung auch in der Lage, über Zoom oder Teams Besprechungen durchzuführen. Dieser digitale Austausch hat sicherlich seine Vorteile, dennoch funktionieren analoge Treffen mit unseren Bauherren hier im Büro einfach besser. Das Home-Office löst leider momentan die repräsentativen Funktionen eines Büros ab. Daraus ergibt sich für uns die Frage, wie wir uns zukünftig als Büro positionieren werden und wie das Arbeitsumfeld des Architekten aussehen wird; eine Entscheidung, die uns jetzt aus den Händen genommen wird.

2. 140 Millionen Euro, etwa zehn Prozent aller für 2020 geplanten Investitionen in Neubau, Instandhaltung und Modernisierung von Wohnungen wurden wegen Corona nicht investiert. Wie beurteilen Sie die Situation, schließlich Sie sind schwerpunktmäßig im Wohnungsbau tätig?

Sebastian Händel u. Marcus Junghans: Wir sind schwerpunktmäßig in München tätig, und hier ist Situation etwas anders als deutschlandweit betrachtet. Wir haben in der bayerischen Hauptstadt einen sehr hohen Wohnungsmangel und der Druck ist – ob mit oder ohne Pandemie – nach wie vor sehr hoch. Wir glauben, dass wir als Wohnungsbauer auch weiterhin viel zu tun haben werden. Wir gehen sogar davon aus, dass der Bedarf an Wohnungen eher noch steigen wird. Sicherlich werden sich aber die Grundrisse verändern; darüber müssen wir nachdenken. Natürlich haben wir auch bemerkt, dass die Geschwindigkeit insgesamt abgenommen hat und dass die einen oder anderen Auftraggeber ein wenig ausharren und erst einmal abwarten möchten, wie sich die Krise weiterentwickelt.

Es benötigt im Wohnungsbau keine Experimente, man muss es nur gut machen. Was wir derzeit - bis auf wenige Ausnahmen - immer abgefragt bekommen, ist der kleinste gemeinsame Nenner, und das ist meist reproduzierbar und kapriziert sich darauf, möglichst viel Wohnfläche auf den Bauraum zu schaffen, der durch irgendjemanden begrenzt wurde. Das Ergebnis sieht dann entsprechend aus. Diese Art von Vorgaben erübrigen Experimente. Wenn man etwas Neues entwickeln möchte, müsste man viele Regelungen über Bord schmeißen.

3. Hundertneunzehn im Dezember 2020 befragte Wohnungsgenossenschaften und sozial orientierte Unternehmen in Deutschland haben zum Besten gegeben, dass sie fest davon ausgehen, dass ihr Geschäftsbetrieb in 2021 deutlich beeinträchtigt sein wird. Und 13 Prozent von ihnen halten auch weiterhin Modernisierungen und Instandhaltungen zurück. Betrifft Sie das in Ihrem Alltag, sind Projekte gestoppt oder abgesagt worden?

Sebastian Händel u. Marcus Junghans: Nein, bei uns sind keine Projekte gestoppt oder abgesagt worden, wir haben keinen Auftrag verloren. Projekte, die wir momentan abwickeln, laufen nach wie vor weiter. Von Daher geht es uns gut, wir können nicht klagen. Natürlich würden wir die Projekte schneller abwickeln wollen, aber auch die Mitarbeiter der Behörden arbeiten im Homeoffice, sie sind nur über E-Mail erreichbar oder telefonieren mit ihren Privathandys, weil sie zu Hause kein Bürotelefon haben. Alle Prozesse sind momentan sehr stark eingeschränkt. Neulich hatten wir einen Termin im Landratsamt in München, die Mitarbeiter vor Ort haben nur gestöhnt. Sie bekommen ihre Stapel nicht mehr abgearbeitet und baten darum, keinen Bauantrag mehr zu stellen. Das ist natürlich eine enorme Bremse, alles dauert derzeit länger. Dabei bekommen wir nicht mehr Geld, nur weil es länger dauert. Das betrifft natürlich unsere wirtschaftliche Situation und macht uns etwas Sorgen; der ganze Output und die Performance, die wir sonst bringen leidet stark unter der Corona-Pandemie. Wir brauchen auf allen Ebenen zwanzig bis dreißig Prozent länger für die Prozesse. Das beschäftigt uns vor allem, weniger, ob Projekte kommen oder nicht. In Bezug auf die Wohnungsbaugenossenschaften als Auftraggeber hatten wir anfangs der ersten Welle natürlich genau die Bedenken, auf die Ihre Frage anspielt. Wir haben uns gedacht, die Mieten gehen zurück, wie soll man dann den Cashflow sichern? Das hat sich aber nach relativ kurzer Zeit irgendwie so eingependelt, dass die Aufträge, die zunächst zurückgehalten wurden, mit einer gewissen Zeitverzögerung wieder ausgelöst wurden. Wie sich Corona mittel- und langfristig auf unsere Auftragslage auswirken wird, können wir derzeit nicht wirklich einschätzen. Gerade im Wohnungsbau sehen wir allerdings derzeit keinen unmittelbaren Einbruch. Die Bereitschaft, bauen zu wollen, ist nach wie vor stark ausgeprägt, nur aufgrund der aktuellen Lage geht das derzeit alles nicht so zügig voran, wie gewünscht.

4. Wir sprechen in Deutschland nach wie vor von einer Wohnungsnot. Was bräuchte die Bauwirtschaft, um dauerhaft zusätzliche Kapazitäten aufzubauen?

Sebastian Händel u. Marcus Junghans:Die Bauwirtschaft hat Personalprobleme, den berühmten Fachkräftemangel, der ja nicht nur uns betrifft, sondern auch den ganzen Rest der Branche. Das führt natürlich immer zu Verzögerungen. Ein weiterer wünschenswerter Aspekt wären die Erleichterungen in den Genehmigungsprozessen und ein ausgeprägterer Wille der Verwaltungen, Dinge zu ermöglichen. Wenn keiner will, wird auch nicht gebaut. Da muss man auch die Verwaltungen in die Pflicht nehmen. Eigentlich ist es keine Krise der Quantität, sondern der Qualität. Es wird ja viel gebaut, aber wenn man sich anschaut, wo sich die durchschnittliche Wohnungsanzahl oder die Wohnungsgröße pro Person bewegt, dann ist zu beobachten, dass sie seit dem Krieg ständig ansteigt. Da muss man gegensteuern. Das ist aber nicht nur eine Frage von guter Architektur, sondern eine Frage nach der besseren Verteilung des Wohnraums. Oft wird der Ruf laut, es müssen mehr Genossenschaften und weniger Eigentümer bauen, weil die Genossenschaften ihren Wohnraum flexibler verteilen könnten. Eine Familie, die vierköpfig in eine Vierzimmerwohnung zieht, ist nach zwanzig Jahren nur noch zweiköpfig und kann ggf. die Wohnung tauschen. Im normalen Mietverhältnis wäre die Familie aber nicht bestrebt, umzuziehen, da die Miete in einer kleineren Wohnung gleich oder höher ist. Hier sollten dringend über Förderungen oder steuerliche Vorteile vom Gesetzgeber neue Anreize geschafft werden, ohne zu sehr in die persönliche Freiheit des Einzelnen einzugreifen. Wir haben Fläche im Wohnungsmarkt, wir müssen sie nur umverteilen. Eine Umverteilung tut natürlich weh, und ist auch von Teilen nicht gewollt. Aber wenn man das Problem der Qualitätskrise angehen will, muss man diese Umverteilung angehen. Ein Lösungsansatz wie der Mietendeckel verschärft diese Problematik nur, weil er solche Mietverhältnisse zementiert. Außerdem werden Investitionen blockiert. Ein fataler Kreislauf, ein absoluter Blocker!

Unter Beibehaltung der immer die Wirtschaftlichkeit im Fokus habenden alten Regeln ist es schwierig, neu zu denken, gerade im durchschnittlichen Wohnungsbau. Letztendlich ist es eine Haltung zum Wohnungsbau, wenn wir in anständigen Wohnungen leben wollen, dann sollten sie nicht unanständig billig gebaut werden.

5. Der Wohnungsmarkt spiegelt schon lange nicht mehr die Bedürfnisse einer sich geänderten Gesellschaft wider. Können Sie erklären, warum die Branche dem Zeitgeist so hinterherhängt?

Sebastian Händel u. Marcus Junghans: Zum einen sehen wir uns gezwungen seit Jahren ähnliche Wohnungen zu bauen und zu planen, weil sie so erfolgreich verkauft werden und den Erwartungshorizont der Bauherren und Verkäufer widerspiegeln. Zum anderen zementieren sich diese Wohnungsgrundrisse auch aufgrund der Förderbestimmungen des öffentlichen oder des geförderten Wohnungsbaus sowie weiterer Zwänge. Wenn wir für die GWG zum Beispiel in München eine Wohnung planen, bekommen wir genau vorgeschrieben, wie groß ein Kinderzimmer, wie groß ein Wohnzimmer, wie groß ein Elternschlafzimmer und wie groß die Erschließungsfläche sein muss. Auch der Badgrundriss ist fixiert, weil er für die GWG genau so optimal ist und sie ihn so maximal billig bauen kann.

6. Wann hat man aufgehört, im Wohnungsbau zu experimentieren? War es in der Postmoderne, in der man feststellte, dass man mit Wohnen viel Geld machen kann?

Sebastian Händel u. Marcus Junghans: Wir befinden uns mit unserem Büro in München in einem ehemaligen Wohnungsbau, der nicht als experimenteller, sondern eher als repräsentativer, wohlüberlegter und guter Wohnungsbau zu bezeichnen war und bis heute ist. Es benötigt im Wohnungsbau keine Experimente, man muss es nur gut machen. Was wir derzeit – bis auf wenige Ausnahmen – immer abgefragt bekommen, ist der kleinste gemeinsame Nenner, und das ist meist reproduzierbar und kapriziert sich darauf, möglichst viel Wohnfläche auf den Bauraum zu schaffen, der durch irgendjemanden begrenzt wurde. Das Ergebnis sieht dann entsprechend aus. Diese Art von Vorgaben erübrigen Experimente. Wenn man etwas Neues entwickeln möchte, müsste man viele Regelungen über Bord schmeißen. Der Investor beabsichtigt aber einen flächeneffizienten Grundriss, z.B.: das Treppenhaus muss so klein wie nur möglich sein, da es die vermietbare Fläche reduziert. Dadurch regelt sich die Erschließung. Man unterliegt insgesamt so vielen Zwängen, von denen man sich verabschieden und stattdessen neu denken müsste. Unter Beibehaltung der immer die Wirtschaftlichkeit im Fokus habenden alten Regeln ist es schwierig, neu zu denken, gerade im durchschnittlichen Wohnungsbau. Letztendlich ist es eine Haltung zum Wohnungsbau, wenn wir in anständigen Wohnungen leben wollen, dann sollten sie nicht unanständig billig gebaut werden. Solange gesagt wird, ihr könnt gerne rumexperimentieren, aber kosten darf es nichts und ausgenutzt werden muss es optimal, müssen wir uns keine Gedanken zu Experimenten machen. Wenn dann noch von Seiten der Genehmigung die Flächen nicht vorhanden sind und keine Bereitschaft, das Haus einfach ein wenig höher oder breiter zu bauen, wenn also die Rahmenbedingungen unglücklich sind, wird am Ende kein glückliches Haus daraus.

Wir sind gezwungen, seit Jahren ähnliche Wohnungen zu bauen und zu planen, weil sie so erfolgreich verkauft werden und den Erwartungshorizont der Bauherren und Verkäufer widerspiegeln. Zum anderen zementieren sich diese Wohnungsgrundrisse auch aufgrund der Förderbestimmungen des öffentlichen oder des geförderten Wohnungsbaus sowie weiterer Zwänge.

Sebastian Händel und Marcus Junghans
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ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW

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Das Wesen und die Umsetzung von Qualität im Bau immer wieder hinterfragend, positioniert sich Händel Junghans Architekten an verschiedenen Schnittstellen des Architektenberufs: Als klassisches Architekturbüro werden alle Leistungsphasen bearbeitet, wobei das aktuell 30köpfige Team stets innovative Nutzungskonzepte für Einfamilienhäuser, die Planung von Büroräumen bis hin zu größeren Mehrfamilienhausanlagen entwickelt. Zusätzlich erweitert die Beratungsleistung von öffentlichen Auftraggebern im Rahmen von VgV-Verfahren und Wettbewerben zu komplexen Vorhaben den Horizont. Diese Erfahrungen sowie die Betreuung von Baugemeinschaften schaffen Erkenntnisse aus Sichtweise der Auftraggeberseite, die die Herangehensweise an neue Projekte prägen.

1. Dichte funktioniert
2. Süden ist nicht alles
3. Die Stadt bestimmt das Haus
4. Die Verantwortung muss auf alle Generationen aufgeteilt werden
5. Lieber die falsche Farbe als weiß
6. Mehr Mut
7. Mischung ist gut
8. Bauen hat seinen Preis
10. Gute Architektur braucht gute Bauherren

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