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Interview mit Michaela Hauser, Geschäftsführerin ATP architekten ingenieure, München
Architektin Michaela Hauserist Associate Partner bei ATP architekten ingenieure und Geschäftsführerin von ATP München. Nach kurzem Mathematikstudium wurde die gebürtige Münchnerin an der Hochschule München zur Architektin ausgebildet. Mit sechs Jahren Erfahrung in Münchener Architekturbüros ging Frau Hauser zu Bothe Richter Teherani (BRT) nach Hamburg, wo sie für zehn weitere Jahre als Projektarchitektin und Projektleiterin tätig war. 2011 gründete sie als geschäftsführende Gesellschafterin gemeinsam mit Kai Richter ein Studio in Hamburg. 2013 kehrte sie nach München zurück und übernahm beim Integralen Planer ATP Architekten Ingenieure (München) den Bereich Architektur mit Verantwortung für damals 28 Architekt_innen. Seit 2016 ist Frau Hauser ebenda Geschäftsführerin mit heute ca. 80 Mitarbeitenden.
1. Wie ist die Stimmung bei ATP München in Anbetracht der Krisenzeiten? Und wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre Auftragslage und die Ihrer weiteren ATP-Niederlassungen aus?
Michaela Hauser: Bei uns im Büro ist die Stimmung positiv verhalten, zwischenzeitlich spüren wir die Einschnitte jedoch immens. Um die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten zu können, aber auch um Risikogruppen zu schützen, befindet sich die Hälfte der Mitarbeiter im Mobile Office, wir organisieren derzeit den Wechsel zwischen Büropräsenz und Home-Office. Durch die unterschiedlichsten privaten Umstände und Persönlichkeitsstrukturen erfahren wir die gesamte Brandbreite der Stimmungswelt, die sich durch die reduzierten sozialen Kontakte verstärken: von sehr beunruhigt und ängstlich bis hin zur Sorglosigkeit. Den Wechsel zum Mobile Office konnten wir reibungslos sicherstellen. Unsere IT löste den Übergang in allen ATP-Standorten binnen weniger Stunden. Zudem kam uns unsere Vorreiterstellung im Umgang mit BIM sehr zugute. Bedingt durch unseren integralen Ansatz haben wir bei ATP sowohl Architekten als auch Ingenieure, die den Planungsprozess von Anfang an integral beschreiten. Normalerweise sitzen die Fachbereiche projekteweise in Gruppen zusammen und arbeiten an einem gemeinsamen digitalen Modell. Das funktioniert sowohl bei standortübergreifender Zusammenarbeit als auch in unserem momentanen Arbeitsleben in Zeiten von Corona. Der fachliche und sachliche Austausch zwischen zu Hause und Büro funktioniert sehr gut, der soziale Aspekt bleibt ein klein wenig auf der Strecke. Ich freue mich immer, wenn die Mannschaft wieder wechselt und ich Mitarbeitern begegne, die ich einige Tage nicht gesehen habe. Das fördert bei allen das Gefühl, zu unserem Unternehmen zu gehören. Grundsätzlich bin ich positiv gestimmt, dass wir mit unserem kompetenten Team sehr gut durch die Krise kommen werden, alle rücken zusammen. Allerdings besteht auch bei uns die Möglichkeit, dass wir die Arbeitszeit reduzieren müssen. Was unsere Auftragslage betrifft, so rechnen wir mit wirtschaftlichen Einschnitten. Wir haben große und mittelgroße Kunden, einer ist beispielsweise der Flughafen München. Dort sind uns zwei große Projekte weggebrochen, sie wurden glücklicherweise nur unterbrochen, also nicht gestrichen. Dieser Gesamtplanungsauftrag hat zahlreiche unserer Architekten und Ingenieure beschäftigt. Es wird uns hoffentlich gelingen, die Lücke zu füllen, was in diesen Zeiten nicht so einfach ist. Es gibt zwar neue Anfragen am Markt, aber alle großen Projekte sind vorerst zurückgestellt und die Bauherren verhalten sich abwartend. Ich glaube zwar nicht, dass die Krise so lange anhält, wie es viele befürchten. Aber mutige Entscheidungen seitens der Bauherren sind im Moment schwer vorstellbar und vermutlich auch in der Sommerzeit nicht zu erwarten. Dies ändert sich wohl erst im Spätherbst, wenn sich die Lage etwas beruhigt hat. Was die Erfahrungen der anderen ATP-Standorte betrifft, so verhält es sich unterschiedlich. Unser Nürnberger Büro beispielsweise arbeitet an einigen Projekten im Krankenhausbereich, wo es kaum Einschnitte gibt. Ganz im Gegenteil, sie waren bzw. sind nach wie vor mit Interimsbauten beschäftigt, da die Situation im Gesundheitswesen anfänglich bedrohlicher aussah. Für die anderen Standorte reicht die Bandbreite von großen Auftragseingängen bis hin zum Stopp von beispielsweise Neubauten für Bürogebäude. In Bezug auf letztere herrscht mit den positiven Home-OfficeErfahrungen der letzten Monate Unklarheit, wie die Arbeitswelten von Morgen aussehen werden. Neue Konzepte werden überdacht werden müssen.
2. Wie wird sich das Arbeitsleben bei ATP München durch die positiven Home-Office-Erfahrung der letzten Monate entwickeln?
Michaela Hauser: Ich vermute, dass es sich gar nicht so sehr verändert; die Zusammenarbeit wird wieder so sein wie vorher auch. Es gibt sicherlich vereinzelte Themen, die man sehr gut alleine von Zuhause klären kann, aber im Endeffekt sind das nur Nuancen, die zumindest in unserer Branche übrigbleiben. Natürlich werden zukünftig auch mehr Besprechungen per Teams oder ZOOM organisiert werden, was ja auch Zeit spart, da die Anreise zum Arbeitsplatz oder zum Kundenmeeting entfällt. Es ist schon teilweise haarsträubend, wohin man vor Corona für ein oder zwei Stunden hinreiste. Im Bereich der Akquise benötigen wir allerdings nach wie vor das Analoge, wir brauchen den Menschen gegenüber. Also das Digitale verschafft uns enorme Vorteile, aber das persönliche Gegenüber ist in mancher Hinsicht nicht zu ersetzen.
Ich bin davon überzeugt, dass sich der wahnsinnige Hotelboom der letzten Jahre reduzieren wird. Es wird sicherlich auch weiterhin Hotelneubauten geben, aber eben nicht mehr in dem großen Maßstab wie das in den letzten Jahren der Fall war.
3. Einige Ihrer Kolleginnen und Kollegen sehen die Pandemie als Chance für unsere Baukultur. Können Sie dem zustimmen?
Michaela Hauser: Die Krise löst sicherlich neue Denkanstöße aus und schafft neue Perspektiven. Baukultur ist für mich auch ein Spiegel der Gesellschaft. Ob die Krise so eingreifend ist, dass sie sich nachhaltig auf unsere Gesellschaft auswirkt, mag ich nicht beurteilen. Wohnräume werden sicherlich eine neue Bedeutung erhalten. Öffentlicher Raum spielt in Zeiten von Corona fast gar keine Rolle, das wird sich aber wieder zurückentwickeln, was ich mir sehr wünsche. Vor allem Kulturelles kann man nicht ausschließlich digitalisieren, es muss wieder an Präsenz gewinnen. Nachhaltig sehe ich keine Veränderung unserer Baukultur. Für unser Tagesgeschäft sehe ich die Folgen eher kritisch und weniger als eine Chance. Denn, wenn es wirtschaftlich eng wird, reduzieren sich auch die Spielräume. Die Chance besteht meines Erachtens lediglich darin, Prozesse und Nutzungskonzepte neu zu überdenken. Ob die Gedanken dann am Ende des Tages auch zum Positiven genutzt werden, mag ich bezweifeln.
4. Durch Leerstände bestimmter Bautypologien kommt es zukünftig zu Umnutzungen. Kommt es ATP zugute, sich auf Sanierung und Revitalisierung spezialisiert zu haben?
Michaela Hauser:Ja, unbedingt. Diese Ausrichtung kommt uns nun sehr zugute. Es sind gerade unsere Sanierungsprojekte, die nun in der Krise weiterlaufen. Unser integraler Ansatz verschafft uns auch hier Vorteile. Wir machen beispielsweise sowohl ressourcenschonende und energetische Sanierungsarbeiten als auch brandschutztechnische Sanierungen. Und das sind – wie gesagt – Aufgaben, die auch in diesen Krisenzeiten nicht zurückgestellt werden. Und diese Aufgaben werden zunehmen, da man leerstehende Bestandsgebäude mit flexiblen Nutzungskonzepten umgestalten kann.
Man konnte sich nur wundern, wo und in welchen Lagen überall Hotels errichtet wurden. Das lag u. a. auch daran, dass Wohngebäude an vielen Orten in Städten nicht genehmigungsfähig sind, wegen des Lärms bzw. aus städtebaulichen oder baurechtlichen Gründen. Dort, wo Wohnen also nicht zugelassen wurde, konnte stattdessen ein Hotel geplant werden. Aber auch solche Projekte werden weniger werden.
5. Das Virus wirkt wie ein Beschleuniger auf jüngst vorhandene Trends. Welche Trends sind das denn aus Ihrer Sicht?
Michaela Hauser: Der größte Trend bleibt die Digitalisierung in der Zusammenarbeit. Wir bei ATP sind diesbezüglich nicht von einer Umstrukturierung oder Veränderung betroffen, weil wir eben seit vielen Jahren digital mit BIM arbeiten. Seit 2012 arbeiten wir ausschließlich an 3D-Modellen. Die Beschleunigung in diesen Bereich wird uns sicherlich zugute kommen. Keine unserer Baustellen hat bislang irgendeine Einschränkung erlebt, es wurde weitergearbeitet und wir haben die Materialien auf die Baustellen uneingeschränkt bekommen. Viele unserer Gebäude sind zertifiziert, und das wiederum verlangt, dass wir ohnehin regionale Planer und Lieferanten einbinden.
6. ATP München ist u.a. spezialisiert auf Hotels und Ressorts. Wie wirkt sich die Krise auf Ihre Auftragslage im Bereich Hotel aus?
Michaela Hauser: Wir sind derzeit mit drei Hotelprojekten beauftragt, von denen sich eines in der Realisierung und zwei in der Planung befinden. Die Realisierung bleibt unbetroffen und läuft weiter, sie ist zu weit fortgeschritten, um sie anzuhalten. Die anderen beiden Hotels befinden sich in der Konzeptphase. Beide Projekte haben Investoren, die Betreiber für diese Hotels suchten und kurz vor dem Mietvertrag standen, jetzt aber erst einmal abwarten. Bei diesen Hotelplanungen geht es derzeit nicht weiter, da man über alternative Nutzungskonzepte nachdenkt. Zum Beispiel, dass man die Immobilie statt für die Hotelnutzung für studentisches Wohnen umplant, wobei man auch das hinterfragen sollte. Denn die Frage, die sich für uns auch stellt, ist, ob Studentenwohnen zukünftig auch noch eine so hohe Nachfrage mit sich bringt, oder ob sich Studierende zukünftig vermehrt für OnlineStudiengänge entscheiden. In der Hotelbranche ist man – zumindest was das Konzeptionelle und die Planung betrifft – vorsichtig. Neue Mietverträge werden kaum geschlossen. Im Prinzip wäre jetzt für den Hotelbestand die beste Zeit, Investitionsstaus anzugehen. Aber welcher Hotelbetreiber nimmt in diesen ungewissen Krisenzeiten Geld in die Hand?
Hotels und ihre Bar- und Restaurantbereiche verlieren auch nach Corona nicht an Attraktivität, sie bleiben auch weiterhin geschätzte Ort der Geselligkeit und des Austausches.
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