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Interview mit Markus Hammes, Partner hammeskrause architekten BDA

Tätigkeit als Fachpreisrichter und Autor, zahlreiche Vorträge / 2012-2016 Bund Deutscher Architekten (BDA) 1. Vorsitzender Stuttgart / 2010-2014 Institutsrat Institut Fortbildung Bau der Architektenkammer Baden-Württemberg / 2010-2012 Moderator Prozessqualität Arbeitsgruppe DGNB Forschungs- und Laborgebäude / seit 2001 hammeskrause architekten bda / 1995-2005 Lehrauftrag an der Universität Stuttgart, Institut für Baustofflehre, Bauphysik, Technischen Ausbau und Entwerfen / 1995-2000 Freier Mitarbeiter und Partner in versch. Büros / 1994 Auslandsaufenthalt USA / 1990 Jahrespraktikum bei Behnisch & Partner / 1987-1993 Studium der Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart / 1966-1986 Schul- und Zivildienstzeit in Krefeld / 1964 geboren in Solingen

1. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Büro seit Corona gemacht und in welchen Projekten sind Sie derzeit schwerpunktmäßig tätig?

Markus Hammes: Uns und dem gesamten Büro geht es sehr gut, wir haben tolle und interessante Aufgaben und sehr engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vor sechs Jahren sind wir über unsere Auslandsprojekte stark in die Digitalisierung eingestiegen und haben dafür auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden, die einen anderen Fokus auf diese Thematik hatten als wir bislang, was uns in dieser momentanen Situation sehr zugute gekommen ist. Gestoppt wurden wegen der Pandemie bislang keines unserer Projekte, wir wurden sogar mit einer kürzlich aufgesetzten Studie neu beauftragt, mit der wir uns seit einigen Wochen beschäftigen. Verzögerungen auf den Baustellen, die sich durch die Krise erklären, haben wir bislang auch nicht erlebt. Wenn es zu Verzögerungen kam, dann bedingt durch Firmen, die schon vor Corona nicht überzeugend performt haben. Auch verspätete Materiallieferungen führten bislang nicht zu signifikanten Veränderungen. Verzögerungen kommen eher durch die Strukturen der Partner zustande, die keinen Kontakt zulassen. Unterschiedliche Erfahrungen machen wir bei unseren öffentlichen Projekten: einerseits erleben wir sehr gut organisierte Verwaltungen und andererseits solche, die es nicht sind und bei denen uns die Ansprechpartner über Wochen gefehlt haben, sodass auch keine Entscheidungen getroffen werden konnten. Bei unseren Industrieprojekten hat man sehr schnell und professionell auf die Situation reagiert, brauchte nur zwei bis drei Wochen, um sich neu zu organisieren. Das haben wir übrigens auch gemacht. Wir haben unser Büro 14 Tage komplett geschlossen, haben alle VPN-Verbindungen in den Homeoffices aufgebaut, das Büro unter Gesichtspunkten der Abstandsregeln neu strukturiert und waren damit nach zehn Tagen voll arbeitsfähig. Was unser Arbeitsspektrum anbetrifft sind wir momentan schwerpunktmäßig im Forschungsbereich tätig. Für HoffmannLa Roche haben wir im letzten Jahr in Basel und in Shanghai Projekte fertiggestellt. Am 5. Februar wäre in Shanghai die Einweihung gewesen, sie ist nun leider der Pandemie zum Opfer gefallen. Durch die Projekte, die wir für Hoffmann-La Roche gemacht haben, haben wir jetzt auch einige Aufträge von deutschen Pharmaunternehmen erhalten, die alle super professionell laufen, was uns sehr freut. Auch für die Bildung sind wir tätig, machen aber in diesem Bereich eher kleine Aufgaben wie z. Bsp. Kindergärten und Mensen. Vor kurzem haben wir im Schulbereich eine sehr schöne Mensa in Stuttgart und ein sehr schönes kleines Schülerlabor für die Universität fertiggestellt. Wohnungsbau machen wir kaum, es hat sich nicht so ergeben. Außerdem tun wir uns schwer, wenn eine Immobilie ausschließlich der Spekulation unterliegt und damit als Business angesehen wird.

2. Die Bautypologie Forschung ist sicher am Glimpflichsten durch die Krise gekommen. Forschung wird man immer betreiben, vielleicht sogar mehr denn je nach der Pandemie. Trifft das Ihre Erfahrung?

Markus Hammes: Das sehen wir genauso. Es gibt wahrscheinlich zwei Töpfe, einen Konjunkturtopf und einen Spartopf, weil irgendwo muss das Geld ja herkommen. Die Frage, die sich nun stellt: welche Themen und Projekte kommen in den Spartopf und welche in den Konjunkturtopf? Wir gehen strategisch davon aus, dass die Investition in Bildung und Forschung in Deutschland nicht im Spartopf landet. Von daher ist die Situation für uns sehr positiv. Wir haben kürzlich ein Gebäude in Lübeck fertiggestellt, einen großen Neubau für die Universität, in dem ein sehr renommierter Virusforscher tätig ist. Er hatte einen Ruf an eine andere Hochschule, ist aber jetzt in Lübeck geblieben, da dieses Gebäude fertig geworden ist und er die Labore sofort bezogen hat. Das sind natürlich sehr schöne Resonanzen für unser Büro.

Es gibt wahrscheinlich zwei Töpfe, einen Konjunkturtopf und einen Spartopf, weil irgendwo muss das Geld ja herkommen. Die Frage, die sich nun stellt: welche Themen und Projekte kommen in den Spartopf und welche in den Konjunkturtopf? Wir gehen strategisch davon aus, dass die Investition in Bildung und Forschung in Deutschland nicht im Spartopf landet.

3. Was hat die Pandemie verändert?

Markus Hammes: Die Erfahrungen, die in der Branche gemacht werden, sind sehr unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, die beklagen, dass sie keine Menschen in PräsenzVeranstaltungen bekommen, weil die Angst und Sorge noch sehr groß ist. Auch Kollegen berichten, dass Mitarbeiter nicht in die Büros zurückkehren wollen. Wir hingegen haben ganz andere Erfahrungen gemacht. Bis auf zwei Bauherren organisieren alle wieder Präsenzmeetings. Wir gehen raus und ich fliege seit 14 Tagen wieder zu Terminen, mache also nicht mehr alles nur virtuell. Ich bin der Überzeugung, dass die Pandemie – das ist jetzt eine These – langfristig wenig verändern wird. Meine Wahrnehmung ist, dass alles, was es gibt, wie unter einem Brennglas fokussiert wird. Das heißt, die Fleißigen sind noch fleißiger, die Faulen noch fauler, die gut organisierten noch besser organisiert, die weniger gut Organisierten nicht mehr organisiert. Es wird sich zwar nicht viel verändern, aber man kann auf einmal nichts mehr verbergen und wird somit auf das Wesentliche zurückgeworfen. Ich glaube, das ist die Chance der Krise. Außerdem hoffe ich, dass die Pandemie den Menschen wieder mehr in den Fokus aller Überlegungen bringt und das Bautypologie übergreifend.

4. Bietet die Krise eine Chance für unsere Baukultur und im Speziellen für die verschiedenen Bautypologien?

Markus Hammes:Betrachte ich die wenigen globalen Krisen, die ich in meinem Leben erlebt habe und hinterfrage die Konsequenzen auf die jeweiligen Typologien, dann kann ich nur feststellen, dass sich kaum etwas verändert hat. Nach 09/11 gab es eine Diskussion über eine Bautypologie in direktem Kontext mit einer Krise. Man proklamierte, die Zeit der Hochhäuser sei vorbei. Das Hochhaus sei ein Gefahrenpotenzial, da es ein Angriffspunkt für Terroristen sei und man auf einen Schlag mehrere tausend Menschen elemenieren könnte. Was hatte sich damals wirklich geändert? Tatsächlich sind nach 09/11 noch mehr und noch höhere – und gerade in New York extremere – Skyscraper entstanden. Was sich geändert hat, sind Gesetze, um Überwachungsmechanismen einzuführen, wie z.Bsp. die Verschärfung der Flughafenkontrollen. Es werden sich also Dinge nach der jetzigen Pandemie ändern, nur ob es die sind, die in der Hochzeit einer Krise diskutiert werden, bezweifele ich. Ich glaube vielmehr, dass sich zukünftig Dinge wieder nach neuen Gesichtspunkten organisieren werden. Derzeit wird die Dichte in den Städten wieder in Frage gestellt, Dichte war das Zauberwort der letzten Jahre. Der Auftrag lautete, wieder mehr Dichte in die Städte zu bringen, um sie urbaner zu machen und ein diversifiziertes Leben zu ermöglichen. Jetzt in Corona Zeiten ist das Landleben wieder in aller Munde. Jeder, der ein Häuschen im Grünen mit einem Garten hat, wird beneidet, weil er sich von allen Menschen fernhalten kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir mittel- oder langfristig wieder dahin kommen werden, wo wir vor der Krise standen: die Menschen werden weiterhin in die Städte ziehen und die Städte werden immer größer und dichter werden. Die Zukunft des Lebens der Menschen kann ja nicht zum Ziel haben, sich aus dem Weg zu gehen.

Die zunehmende Digitalisierung hat einen Einfluss auf die Art, wie wir miteinander kommunizieren und damit auch auf die Architektur. In unseren Forschungsprojekten ist es die größte Sehnsucht der Wissenschaftler, Gebäude zu haben, die die Menschen miteinander verbindet. Das ist ungebrochen und das ändert sich auch nicht. Trotz der zunehmenden Digitalisierung und der vielen virtuellen Konferenzen haben sie die Sehnsucht, auch face to face miteinander zu arbeiten, um Innovationen zu entwickeln.

5. Die Krise offenbarte auch die Fragilität unserer städtischen Entwicklungen. Da stellt man sich die Frage, für wen Stadt überhaupt gebaut wird.

Markus Hammes: Die Frage ist unabhängig von dem, was jetzt passiert ist. In Stuttgart, München oder Hamburg haben wir mittlerweile Miet- und Kaufpreise für Wohnungen, bei denen ich mich frage, wie das Ganze noch zu finanzieren ist. Allerdings ist es eine Entwicklung, die London, Paris, New York und Shanghai schon hinter sich haben. In der Immobilienbranche ist ja Deutschland immer noch so ein potenzieller Markt, weil das Niveau hier immer noch niedrig ist. Obwohl diese Städte für unsere Verhältnisse absolut explodierende Preise haben. Ich kann nur hoffen, dass die Frage, wie wir lebenswerte Verhältnisse für den Großteil der Menschen in der Gesellschaft schaffen, wieder in den Fokus rückt und damit stärker diskutiert wird. Das betrifft nicht nur die Bautypologie Wohnen, sondern auch Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten. Das würde ich mir wirklich sehr wünschen. Es ist auch meine kleine Hoffnung, die ich mit der Pandemie verbinde, dass man zukünftig nicht nur Business-getrieben handelt, sondern den Menschen und den Wohlfühlfaktor in einen neuen Fokus rückt. Ich bezweifele nicht, dass es wirtschaftliche Eruptionen geben wird. Wenn man die Klimakrise seit zwei Jahren auch nur annähernd so Ernst wie jetzt die Pandemie genommen hätte, was meinen Sie, was wir für Erfolge in der Bekämpfung des Klimawechsels gehabt hätten.

6. Sie erwähnten Ihre besondere Expertise im Bereich Forschung und Wissenschaften. Fließen in Ihre Planungen durch die Krise gemachten Erfahrungen ein?

Markus Hammes: Die zunehmende Digitalisierung hat einen Einfluss auf die Art, wie wir miteinander kommunizieren und damit auch auf die Architektur. Wir machen gerade zwei Projekte für internationale Pharmaunternehmen. 03 grohe.de Sie haben ihre Standorte in den USA, in Europa, in China und in Asien. Sie sind es gewohnt, in den gleichen Forschungsgruppen über alle drei Kontinente zu arbeiten und dass ihre Chefs in den USA sitzen oder eine ihrer Forschungsgruppen in Asien angesiedelt ist. Und sie sind es gewohnt, so zu kommunizieren, wie es der Großteil der Bevölkerung seit Corona in den letzten drei Monaten für sich entdeckt hat. Und mit diesen Wissenschaftlern konzipieren wir neue Gebäude. Ihre größte Sehnsucht ist, Gebäude zu haben, die die Menschen miteinander verbindet. Das ist ungebrochen und das ändert sich auch nicht. Trotz der zunehmenden Digitalisierung und der vielen virtuellen Konferenzen haben sie die Sehnsucht, auch face to face miteinander zu arbeiten, um Innovationen zu entwickeln. Es ist im übrigem wissenschaftlich bewiesen, dass eine direkte Kommunikation ein viel höheres Innovationspotenzial hat. Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch und das ist auch gut so. Aber sie wird auf keinen Fall die direkte Kommunikation ersetzen.

Raumprogramme wie vor zwanzig Jahren, in denen eine bestimmte Quadratmeterzahl pro Mitarbeiter festgelegt wurde, gibt es in der Bedarfsermittlung heute nicht mehr. Man schaut sich die wirklichen Bedürfnisse der Menschen an, schaut, wie die Workflows verlaufen und wie sie miteinander arbeiten wollen.

Markus Hammes
hammeskrause architekten BDA

ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW

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Unser Anliegen ist ein empathischer, kooperativer Dialog mit dem Bauherrn und dem Nutzer, seinen Anliegen und Bedürfnissen. Unsere Arbeitsweise ist von einem intensiven, gemeinsamen Diskurs durchdrungen. Aus diesem Diskurs ergeben sich Lösungswege, die wir untersuchen. Jede neue Aufgabe erweckt Neugierde in uns und erweitert unsere Erfahrungen. Wir verstehen Planen als Prozess, der frei, iterativ, kritisch und dennoch stets zielgerichtet erfolgt, der die Aufgabe in das Zentrum des gemeinsamen Wirkens stellt. Das gemeinsame partnerschaftliche Arbeiten an der bestmöglichen Lösung. Dies gilt vor, während und nach der Pandemie und befähigt zum Umgang mit neuen Situationen.

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