Der Öschberghof, ©Christian Kretschmar für JOI-Design

© Christian Kretschmar für JOI-Design

Interview mit Corinna Kretschmar-Joehnk und Peter Joehnk, Geschäftsführung JOI-Design

Corinna Kretschmar-Joehnk:
• Geboren am 4. November 1966 in Bielefeld • 1986 Studium der Kunstgeschichte in Würzburg • 1993 Diplom-Studienabschluss der Innenarchitektur in Detmold • 1993 - 2000 joehnk. Interior Design in Hamburg • Seit 2000 Geschäftsführende Gesellschafterin der joehnk.Interior Design AG Zürich
• Seit 2003 Geschäftsführende Gesellschafterin bei JOI-Design in Hamburg • Seit 2004 Mitglied im BDIA (Bund Deutscher Innenarchitekten)
• Seit 2004 Mitglied in der Hamburgischen Architektenkammer • Von 2007 - 2019 Bestellung in den Unabhängigen Eintragungsausschuss der Hamburgischen Architektenkammer / Fachrichtung Innenarchitektur
• Seit Wintersemester 2011 / 2012 Lehrauftrag an der Hochschule Coburg • Seit 2018 Partner der JOI-Design Innenarchitekten A D joehnk + partner mbB

Peter Joehnk:
• Geboren am 31. Juli 1957 in Kronach / Oberfranken • 1981 Diplom-Studienabschluss der Innenarchitektur in Kaiserslautern und Mainz
• Seit 1982 Mitglied im BDIA (Bund Deutscher Innenarchitekten) • 1983 Fernstudienabschluss zum Baubiologen • 1984 Gründung des eigenen Büros joehnk. Interior Design • Seit 2003: Geschäftsführer JOI-Design • Mehrere internationale Mitgliedschaften in Berufsorganisationen • Seit 2018 Partner der JOI-Design Innenarchitekten A D joehnk + partner mbB

1. Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeitern in diesen Krisenzeiten? Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre laufenden Projekte im In- und Ausland aus? Gibt es Verzögerungen oder gar Absagen?

JOI-DESIGN: Die Hotellerie ist ja bekanntermaßen eine der Branchen, die am meisten leiden. Und wenn den Hotels die Gäste fehlen und die Hotels damit keine Geschäfte mehr machen, geht es den Dienstleistern um sie herum auch nicht besonders gut. Also wir merken es sehr deutlich und befinden uns in Kurzarbeit. In Bezug auf die Projekte gibt es beides: Verzögerungen und Absagen. Es gibt neue Branchen, die wir für uns entdeckt haben, und die wir sehr spannend finden, beispielsweise Kreuzfahrtschiffe. Seit anderthalb Jahren haben wir hier ein laufendes Projekt, das ist derzeit gestoppt worden, es wird einige Monate dauern, bis es wieder weitergeht. Ebenso komplett gestoppt wurde ein neues Projekt in diesem Bereich. Dieser Markt ist derzeit sehr schwierig. Weitere Projekte für die Lufthansa befinden sich „on hold“, ebenso ein Hotelprojekt. Die Hotels haben keine Gäste und damit kein Geld im Portemonnaie. Daher kann man das verstehen. Es gibt aber zum Glück noch diverse Longterm Investments, große Projekte, die finanzstark sind und jetzt bauen wollen. Von privaten Investoren haben wir gerade vor drei Wochen auch noch zwei neue Projekte an der Ostsee dazu bekommen. Also es gibt alles: gestoppte Projekte, neue individuelle oder eben langfristige, die weiterlaufen. Insgesamt geschieht aber alles viel langsamer. Im Moment braucht kein Mensch eine Hotelneueröffnung. Insofern wird alles gestreckt und geschoben. Was das Ausland anbetrifft, so haben wir ein Partnerbüro mit acht Leuten in Indien. Indien ist noch sehr viel härter betroffen als Deutschland, es herrscht eine strikte Ausgangssperre. Dort gibt es allerdings einige wohlhabende Kunden, die sich durch so eine Krise nicht stoppen lassen, sie bauen weiter. Wir haben in Indien ca. fünf weiterlaufende Projekte. Andere ausländische Bauvorhaben wurden nicht abgesagt, sondern nur gebremst. Leistungen werden dort derzeit nicht gefordert. Was uns sehr freut, das ist der enge Kontakt mit unseren Kunden, die wir am Anfang der Krise alle antelefoniert haben. Manche sind erst ein wenig auf Tauchstation gegangen und haben sich bedeckt gehalten, weil sie selber nicht wussten, wie sie die Situation einzuschätzen haben. Sehr positiv empfinden wir, dass man so ehrlich miteinander spricht und einfach offen ist. Viele betonen, dass sie mit uns weiterarbeiten möchten. In den vielen virtuellen Konferenzen lernen wir auch Leute kennen, die wir persönlich vorher noch nie getroffen haben. Der Kontakt in der Branche besteht also. Viele jammern, aber hoffen natürlich, dass es bald weitergeht.

2. Krisen bieten auch Chancen. Welche Chancen sehen Sie für sich persönlich?

JOI-DESIGN: Wir beobachten seit jeher genau, was sich draußen in der Welt und in unserer Gesellschaft tut und denken über Antworten nach, die wir für die Innenarchitektur finden müssen, gerade natürlich für Hotels. Das ist im Moment sehr schwer, da Hotels ja Orte für Geselligkeit und Gastlichkeit sind, schwer vorstellbar in diesen Zeiten. Insbesondere der Barbereich in den Hotels wirft die schwierige Frage des Revivals auf. Restaurants haben jetzt wieder geöffnet, hier müssen wir über Konzepte nachdenken, wie wir die Abstandsregeln architektonisch schön lösen können. Auch in puncto Hygiene gilt es, mit kreativen Produkten das Vertrauen der Gäste zu gewinnen und ihnen ein Sicherheitsgefühl zu geben. Sei es mit schönen Hygienespendern, sensorgesteuerten Armaturen, Öffnungssystemen zu den Toilettenanlagen oder Trennwänden. Große Veränderungen sehen wir vor allem in Bezug auf die Werte in unserer Welt. In der Vergangenheit sprachen wir über zwölf globale Megatrends, die uns beeinflusst haben. Ungefähr die Hälfte davon kann man jetzt ersetzen bzw. neu denken. Die Globalisierung war einer dieser Werte. Wir haben jetzt allerdings gelernt, dass das nicht das Allheilmittel ist und erfahren, dass wir Produkte aus dem Ausland – sei es die Lieferung von Stühlen oder die Lieferung von Fliesen – nicht auf die Baustelle bekommen. Die Krise stärkt das regionale Bewusstsein, was wir schon immer befürwortet haben. Wir lieben regionale, natürliche und ehrliche Materialien, hingegen keine Fakes. Das regionale, das deutsche hiesige Handwerk und echte Materialien gewinnen eine ganz neue Wertschätzung. Diese Pandemie hat nicht nur Trends zum Stoppen gebracht, sondern sie hat Trends beschleunigt, die sich bereits langsam entwickelten. Dieses handwerkliche, regionale und natürliche Arbeiten und Denken ist daher sicherlich einer der Trends, der durch diese Pandemie Auftrieb bekommen hat. Und wir haben erfahren, dass ein jeder seinen Beitrag zu einer besseren Umwelt leisten kann, indem man weniger reist und Besprechungen in Videokonferenzen abhält. Wir waren selber bislang 3 Tage die Woche im Flieger und hatten uns daran gewöhnt. Jetzt spüren wir, dass das Leben viel gesünder ist, wenn wir viel mehr zu Hause sind. Das Reisen wird uns auch wieder Spaß machen, wir werden es nur reduzieren und achtsamer damit umgehen. Die Urbanisierung war ein weiterer dieser globalen Megatrends, der sich auch gerade zum Gegenteil entwickelt. Die Menschen sind plötzlich glücklich, in einem Speckgürtel der Großstadt zu leben oder auch in der Provinz, weil es dort viel weniger Corona Infizierte gibt. Provinz war früher eher ein Schimpfwort. Heute wird es gleichgesetzt mit smart und clever. Es gibt so viele Dinge, die im Moment auf den Kopf gestellt werden. Wir empfinden es wahnsinnig spannend und als eine große Chance für uns alle, alles einmal gegen den Strich zu bürsten, zu denken und das Leben neu zu sortieren. Die Krise bietet also auch eine Chance, sich zu besinnen und unser Wertesystem gerade zu rücken. Bislang waren wir immer “größer, schneller, weiter und 24 Stunden, sieben Tage die Woche“ unterwegs. Jetzt folgt die Zeit des Nachdenkens und der Überlegung, was einem wirklich wichtig ist im Leben.

Wir stehen am Anfang einer schweren weltweiten wirtschaftlichen Krise und selbstverständlich wird das auch unsere Branche mehr oder minder erfassen. Ich glaube, dass wir viel erleiden werden. Und wie lange diese Geschichte noch andauert, weiß ich nicht.

3. Wie trifft die Pandemie die Hotelbranche ganz im Allgemeinen?

JOI-DESIGN: Wir sind davon überzeugt, dass die Gäste zeitnah in die Hotels zurückkehren werden. Wir vermuten, dass Geschäftsreisen und somit Geschäftsübernachtungen sinken werden, dafür aber Erlebnisreisen relativ stabil bleiben. Hotels als Trendspot der Stadt, als beliebte Treffpunkte und Hubs mit ihrer Gastronomie werden weiter sehr begehrt sein. Ebenso die Destinationen zum Reisen. Grundsätzlich ist aber damit zu rechnen, dass wir die Wachstumsraten der vergangenen 10 - 15 Jahre nicht mehr so schnell erreichen werden. Ein anderer Aspekt ist der Blick auf die Banken: Für sie ist es ja kein Geschäft mehr, ein Hotel zu finanzieren, in das zu wenige Gäste kommen. Bis das Vertrauen wieder geschaffen ist, dass es sich lohnt, für einen Investor in ein Hotel zu investieren, wird es lange dauern. Denn den Anstoß, neue Hotels zu bauen, müssen die Hotels erst einmal wieder liefern, indem sie gute Zahlen präsentieren. Und das dauert.

4. Die Pandemie hat bei vielen Bautypologien deren Schwächen zum Vorschein gebracht. Welche Verbesserungspotenziale kamen in der Hotellerie zutage?

JOI-DESIGN: Hygiene wird sicherlich ein Faktor werden, den wir zukünftig stärker in den Fokus setzen müssen, speziell in unserem Gewerbe Gastronomie und Hotellerie. Langfristig wird es hier ein Umdenken geben. Berührungslose Türen, Türöffnungsmechanismen, berührungslose Lichtschalter und berührungslose Armaturen etc. werden sicherlich zum Trend werden. Wir glauben nicht, dass wir zukünftig in der Gastronomie und Hotellerie überall Plexiglasscheiben rumstehen haben. Dennoch wird man versuchen, überall mehr Individualität und Schutz einzubauen, wobei wir noch keine richtige Vorstellung von der Umsetzung haben. Die Konferenzräume in den Hotels, deren Nachfrage durch die Videokonferenzen abnehmen wird, müssen zukünftig sicherlich mehr multifunktional genutzt werden, beispielsweise für Meditation, Yoga oder andere Dinge. Oder sie sollten mit einer besonders professionellen Technik ausgestattet werden, die nicht alle im Büro haben, um so für nationale und internationale Konferenzen angemietet zu werden. Über große Screens, guten Sound und eventuell schallgeschützte Nischen können diese Konferenzräume effizient genutzt werden, und über eine Bedienung im Service und ein leckeres Catering wird der Aufenthalt zu einem besonderen Erlebnis in einem schönen Ambiente. Das ist ja genau das, wofür wir zuständig sind.

Die Unternehmen denken darüber nach, auch nach Covit-19 das Homeoffice stärker in den Fokus zu rücken. Das hat natürlich Auswirkungen auf die neue Entwicklung von Büros. Es wird darüber hinaus viele Insolvenzen geben und dadurch wird viel Bürofläche leer stehen.

5. Was sind neben der multifunktionalen Einrichtung und Flexibilität weitere Wettbewerbsvorteile für das Hotel der Zukunft?

JOI-DESIGN: Aus der Krise heraus betrachtet sicherlich das Thema Sicherheit im Allgemeinen. Das ist nicht nur Sicherheit vor Ansteckung, das ist grundsätzlich Geborgenheit. Und die hat natürlich auch einen gestalterischen Ausdruck. Also sich geborgen zu fühlen, wird ein großes Thema in der Hotellerie werden, was es ja schon immer war. Nur müssen wir in Zeiten von Distancing eine andere Geborgenheit schaffen, indem wir in größeren Räumen, wie der Lobby beispielsweise, Nischen 03 grohe.de schaffen, Raumteiler und Regale aufstellen, einfach etwas Halbhohes platzieren, das die Räume aufgeteilter wirken lässt. Das Zauberwort Community, einst der Modebegriff in der Hotellerie, muss neu gedacht werden. Community ist halt nicht mehr ‚nah zusammen‘, sie verschiebt sich gerade in Richtung der virtuellen Welt, so wie wir es jetzt auch schon von zu Hause erlebt haben, am Screen zusammen ein Bier trinken. Das ist mit Sicherheit keine schöne Vorstellung von Zukunft. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir viel mehr in Kontakt mit allen möglichen Freunden oder Familienmitgliedern sind. Jeder, der möchte, kann sich dazuschalten. Das könnte der Vorteil eines Hotels sein, dass es den Gästen professionelle Technik und Screens für solche virtuellen Zusammenkünfte zur Verfügung stellt. Mit Abstand den anderen doch ganz nah sein!

6. Im Internet ist zu lesen, dass das „Hotel der Zukunft“ mehr wandelbar sein muss, also seine Form und sein Design sollte flexibel veränderbar sein. Müssen wir uns auf lange Sicht sogar auf Serviceroboter einstellen oder auf 3D-Drucker in den Zimmern, die vor Ort Kleidung oder sogar Kosmetik produzieren?

JOI-DESIGN: Früher hatte ein Hotel immer einen Frühstücksraum plus ein Fine-Dining-Restaurant plus eine Lobby plus eine Business Corner plus einen Konferenzbereich. Das findet heute auf einer Fläche statt. Also kein Mensch baut mehr zwei Restaurants. Allenfalls wird vom Frühstücksraum ein Teil dafür genutzt, ihn abends kuschelig zu gestalten, sodass dann dort das abendliche FineDining stattfinden kann. Morgens ist es dort groß genug, um das Frühstück anzubieten. Unterhalb von vier Sternen gibt es diese Trennung gar nicht mehr. Da sind die Lobby, das Restaurant und die Konferenz alle auf einer Fläche und extrem flexibel zusammengeschoben. Raumteiler und Regale auf Rollen oder solche Elemente, die Räume komplett verändern können, sind eigentlich gang und gäbe. Serviceroboter wird es in den Industrienationen sicherlich eines Tages geben, da Service immer unbezahlbarer wird. Es sind einfach die sehr hohen Lohnkosten. Dienstleistung ist ein gravierendes Kostenthema. Das Hotelzimmer der Zukunft wird immer individueller, und man kann mit Sicherheit schon heute über Farben und Projektionen so weit gehen, die Hotelzimmer dem Geschmack der Menschen anzupassen. Wenn ich lieber blaue als rote Wände mag, kann ich das in der Projektion und Lichtfarbeneinstellung relativ easy speichern. Dreidimensionale Digitalprints sind noch ein wenig ein Zukunftstraum. Dass man sich seinen Schlafanzug aus dem 3D-Drucker holt, das ist noch ein längerer Weg. Aber vorstellbar. Man muss nur bedenken, dass der Gast in einem Hotel – wenn es kein Urlaubshotel ist – durchschnittlich 1,5 Tage verweilt. Die digitale Ausstattung der Hotels muss selbsterklärend sein, sonst reist der Gast ab, bevor er die Technik verstanden hat. Über Sprachsteuerungen wird sicherlich noch einiges leichter und schneller gelöst werden.

Die Frage nach dem Umgang mit dem Bestand wird relevanter denn je und dies führt wiederum zu Planungsarbeit und in der Folge dessen natürlich auch zu Bauleistungen, insbesondere im Umbaubereich. Insofern ist die planende Zunft vielleicht in der Krise eine, die nicht ganz so stark leiden wird wie manch andere.

Corinna Kretschmar-Joehnk, Peter Joehnk
JOI-DESIGN

ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW

JOI Design

JOI-Design ist ein führendes europäisches Innenarchitektur- und Designstudio mit mehr als 35 Jahren Erfahrung im Hospitality Design und über 500 Hotelprojekten im In- und Ausland. Der Fokus liegt auf der Entwicklung von exklusiven und Design-orientierten Konzepten für die internationale Hotellerie, Serviced Apartments, designaffine Offices mit New Work-Charakter und Konzeptdesign für die Cruise Ship Industrie. Die kreativen und multidisziplinären Teams des Designstudios in Deutschland und Indien gestalten mit erfahrenen Innenarchitekten, Architekten, Ingenieuren, Grafikern und Produktdesignern einzigartige und für die heutige Gesellschaft relevante Lebensräume für die unterschiedlichen Zielgruppen als Antwort auf sich ständig ändernde Bedürfnisse unseres Alltags.

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