Wohnquartier Holsteinstraße Köln, ©Paul Ott für Lorber Paul Architekten

© Paul Ott für Lorber Paul Architekten

Interview mit Gert Lorber, Geschäftsführer Lorber Paul Architekten

1964 geboren in Klagenfurt/Österreich / 1992 Diplom für Architektur an der TU Graz, Prof. Günther Domenig, Sommerakademie Graz – Klasse Peter Zumthor / 1994 Freischaffender Architekt in Köln / 1996 Gründung Lorber Paul Architekten / 1996 Gründungsmitglied des club a / 1998 Gründung des Projektteams „Duftmuseum Köln“ – Lorber Paul Schneider + Fuhrmann / 1999 Jurytätigkeit bei Architekturwettbewerben / 2001 Förderpreis für Kunst+Kultur des Landes NRW / 2004 Mitgliedschaft BDA Bund Deutscher Architekten / 2004 Gründungsmitglied „Haus der Architektur – Köln“ / 2007 Vorstandsmitglied BDA Köln / 2011 Vorstandsmitglied BDA NRW / 2012 stv. Vorsitzender BDA NRW / 2015 Mitglied der Vertreterversammlung AKNW / 2016 Mitglied Wettbewerbs- und Vergabeausschuss AKNW / 2017 Landesvorsitzender BDA NRW

1. Welche Gedanken bewegen Sie als Privatperson und als Unternehmer in diesen Zeiten? Und wie ist die Stimmung beim BDA Nordrhein-Westfalen, deren Vorsitzender Sie sind?

Gert Lorber: Auf unser Unternehmen hatte die CoronaKrise bis jetzt relativ wenig Auswirkungen. Innerhalb von drei Tagen war unser Büro komplett umgestellt, da wir keine physische Ablage mehr haben. Dadurch, dass alle Rechner mit Kameras ausgestattet sind, unsere Telefonanlage nur virtuell existiert und auf den Servern auch von extern gearbeitet werden kann, waren zwei Drittel der Mitarbeiter innerhalb von drei Tagen im HomeOffice und die Projekte wurden von dort bearbeitet. Im privaten Bereich sieht es weniger gut aus. Da müssen meine Büro- und Lebenspartnerin und ich zum Leidwesen unserer Kinder, was im schulischen Bereich an Nicht-Digitalisierung und an Beharrungstendenzen existiert, deutliche Abstriche machen. Ähnlich läuft es natürlich auch bei den Behörden in unserem Tätigkeitsfeld. Wenn ich an Bauanträge und ihre derzeitige Bearbeitung denke, dann werden sie statt 18 Monate wahrscheinlich 36 Monate dauern, da die Mitarbeiter im Home-Office keinen Zugang zum Server haben und auch die Akten dorthin nicht mitnehmen können. Beim BDA Nordrhein-Westfalen ist die Stimmung gemischt. Die Büros sind unterschiedlich betroffen. Je nach Abhängigkeit der Branchen von den direkten Auswirkungen des Lockdowns herrscht große Verunsicherung, manche Investoren wissen nicht, ob ihr Geschäftsmodell in einem halben Jahr überhaupt noch existiert. Man erfährt auch, dass auf unerklärliche Weise unter anderem Schulbauprojekte gestoppt werden, obwohl der eklatante Bedarf vielerorts wegen der Krise auch nicht verschwindet. Das klingt ein bisschen nach „Endlich haben wir einen Grund, zu erklären, warum etwas nicht funktioniert.“ Wir werden wahrscheinlich erst Ende des Jahres oder Anfang oder Mitte nächsten Jahres merken, was mit der Konjunktur passiert, ob sie die Krise aushält oder nicht.

2. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Pandemie auf Ihre mittel- und langfristige Auftragslage ein?

Gert Lorber: Mit hochbaulichen und städtebaulichen Planungen kann man ja für relativ wenig Investitionen durch die Erlangung von Baurecht einen Mehrwert schaffen, ohne in besonderer Weise ins Risiko zu gehen. Ob diese Planungen fortgesetzt und schließlich auch umgesetzt werden, hängt von der weiteren Entwicklung der Krise und von den daraus resultierenden verfügbaren finanziellen Mitteln ab. Auch wir machen uns natürlich ein wenig Sorgen um die Zukunft. Wir haben derzeit einen gewonnenen Wettbewerb und mehrere in den Startlöchern befindliche Projekte, bei denen nicht gesichert ist, ob die notwendigen Mittel nicht für andere Bereiche benötigt werden. Man sollte in dieser Situation auf keinen Fall sparen und an der Beseitigung des Investitionsstaus, den es vor allem im öffentlichen Bereich gibt, weiter mit Hochdruck arbeiten.

Im Wohnbau wäre es an der Zeit, dass sich die Nutzungsneutralität innerhalb der Wohnungen, vergleichbar mit den Altbauwohnungen aus der Gründerzeit, durchsetzt und alles, was in den letzten zehn, zwanzig Jahren oder noch länger propagiert und nur in Ausnahmefällen realisiert wurde, zum Standard wird.

3. Krisen bieten auch Chancen, Vieles zu überdenken und einen Perspektivwechsel einzuleiten. Welche Chancen sehen Sie für sich und Ihr Büro?

Gert Lorber: Es gibt auch Chancen, wobei ich diese weniger auf mich und unser Büro beziehen würde, sondern generell auf die Baukultur. Wenn man die Situation mit dem Fußball vergleicht, kann man sagen, dass man die Elfmeter, Freistöße und Ecken, die einem gegeben werden, nutzen sollte. Die Aufstellung steht ja, also die Probleme sind alle benannt. Man kann Städte nicht neu bauen, aber sie müssen neu verteilt werden. Unter dem Aspekt des Klimawandels und der Mobilitätswende werden Positionen diskutiert, die auf einmal viel schneller 02 INTERVIEW MIT GERT LORBER vorankommen. Im Städtebau sollte es durch eine konsequente Nutzungsmischung endgültig zu einer Abkehr von der städtebaulichen Nutzungstrennung der Moderne kommen. Das wäre sehr schön. Corona erweist sich auf einmal ein wenig wie ein Hilfsmittel, denn wir als Architekten erfahren Zuspruch für Dinge, die wir seit langem propagiert haben, die in sogenannten Spartenkanälen Gehör gefunden hatten, nicht aber in der breiten Öffentlichkeit. Jetzt wird den Alleswissern und Besserwissern in den einzelnen Branchen etwas der Wind aus den Segeln genommen und das schafft einem auch die Möglichkeit, Konter zu fahren. Über kurz oder lang werden sich auch viele Projektentwickler durchsetzen, die eine Chance sehen, auch mischgenutzte Gebiete und hybride Gebäude zu entwickeln.

4. Corona beschleunigt vorhandene Trends, auch in der Baubranche. Was sind das für Trends aus Ihrer Sicht?

Gert Lorber: Bei der Mobilitätspolitik kommt die Frage nach der Verteilung des öffentlichen Raums auf, nach mehr innerstädtischen Grünflächen, mehr Platz für Fußgänger und Fahrräder etc.. Das ist aber jetzt nicht unbedingt architektonisch zu sehen. Im Wohnbau – und damit beschäftigen wir uns besonders – wäre es an der Zeit, dass sich die Nutzungsneutralität innerhalb der Wohnungen, vergleichbar mit den Altbauwohnungen aus der Gründerzeit, durchsetzt und alles, was in den letzten zehn, zwanzig Jahren oder noch länger propagiert und nur in Ausnahmefällen realisiert wurde, zum Standard wird. Die Nutzungsmischung ist das alles Entscheidende. Das betrifft Gebäude, Wohnungen, aber auch den Städtebau.

Die positiven Erfahrungen vieler Unternehmen in der Krise mit den Home-Offices münden irgendwann in eine ökonomische Frage: Wenn man einen geringeren Prozentsatz an Präsenzarbeitsplätzen benötigt, man für weniger Geld einen Home Office Arbeitsplatz herstellen kann und darüber hinaus die Bedarfe für zeitgemäße Lebens- und Arbeitswelten erfüllt, wird das sicherlich eine Veränderung im Wohnbereich sowie neue Grundrisse, neue Wohnformen und neue Hausformen generieren.

5. Sie haben in diesem Jahr den deutschen Bauherrenpreis für Ihr Wohnquartier Holsteinstraße erhalten. Würden Sie aus heutiger Sicht mit der Corona-Erfahrung manches anders planen?

Gert Lorber: Vorbildlich bei dem Projekt ist die Integration des Restes eines Klosters, das dort einmal stand, und die Einbeziehung der Nachbarschaft, die sozialökologischen Aspekte einer Verdichtung im innerstädtischen Bereich unter Berücksichtigung des Grünraums und der Nachbarschaft. So gesehen würden wir nicht viel anders machen. Lediglich bei den Wohnungen wünschten wir uns ein wenig mehr Flexibilität. Wir sprechen hier auch über einen Auftraggeber, der sehr klare Vorstellungen davon hatte, wie Wohnungen zu funktionieren haben. Da werden wir nicht müde, Überzeugungsarbeit zu leisten, wenngleich wir uns nicht immer durchsetzen. Der durch Home-Office geschaffene Bedarf, Wohnraum flexibel nutzen zu können, verdeutlicht die Vorteile nutzungsneutraler Räume. Dies wird nun auch in den Medien breiter publiziert und wir sollten die Chancen nutzen, um einen Gesinnungswandel einzuleiten.

6. Viele der Wohnungsbaugesellschaften zeigten sich bislang wenig experimentierfreudig. Noch deckt der weite Teil des Wohnungsmarktes nicht den Bedarf der sich veränderten Gesellschaft. Wie sehen Sie das?

Gert Lorber: Es gibt solche und solche Auftraggeber. Wir arbeiten auch für Wohnbauunternehmen, die im Rahmen der üblichen Wohnungsgrößen keine expliziten Vorgaben machen, da sie wissen, dass auch die Lebensgewohnheiten Ihrer Mieter sehr unterschiedlich sind und sie immer einen Mieter für die entsprechende Art von Wohnung finden werden. Das lässt dann das ein oder andere Experiment schon zu. Die positiven Erfahrungen vieler Unternehmen in der Krise mit den Home-Offices münden irgendwann in eine ökonomische Frage: Wenn man einen geringeren Prozentsatz an Präsenzarbeitsplätzen benötigt, man für weniger Geld einen Home-Office Arbeitsplatz herstellen kann und darüber hinaus die Bedarfe für zeitgemäße Lebens- und Arbeitswelten erfüllt, wird das sicherlich eine Veränderung im Wohnbereich sowie neue Grundrisse, neue Wohnformen und neue Hausformen generieren. Wenn man das steuerlich geschickt regelt, kann das sehr viel verändern.

Der Staat oder die öffentliche Hand hat in Bezug auf die Wohnungsfrage eigentlich alle Mittel, die dafür zur Verfügung stehen. Wenn allerdings Grundstücke und Liegenschaften des Landes und der Städte verkauft werden, ohne Qualitätskriterien inhaltlicher, architektonischer und städtebaulicher Natur einzubeziehen, dann ist der Ruf nach staatlicher Hilfe relativ sinnlos. Das ist eine Frage des politischen Wollens und dann letztendlich der Umsetzung.

Gert Lorber
Lorber Paul Architekten

ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW

Lorber Paul Architekten

Lorber Paul Architekten ist ein 1996 als GbR gegründetes Inhaber-geführtes Architekturbüro. Annette Paul und Gert Lorber führen das Unternehmen gleichberechtigt. 2017 wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt.

Das Architekturbüro Lorber Paul Architekten BDA plant und realisiert vornehmlich Projekte im Bildungs-, Gewerbe- und Wohnungsbau sowie im städtebaulichen Bereich. Bauaufgaben unterschiedlicher Größen für öffentliche sowie private Auftraggeber prägen die Erfahrungen und Abläufe des Büros. In einem Team mit 19 angestellten Architekten sowie studentischen und freien Mitarbeitern bildet Lorber Paul Architekten das gesamte Leistungsspektrum der Leistungsphasen LP 1-9 (nach HOAI) ab.

Das Architekturbüro Lorber Paul Architekten BDA plant und realisiert vornehmlich Projekte im Bildungs-, Gewerbe- und Wohnungsbau sowie im städtebaulichen Bereich. Bauaufgaben unterschiedlicher Größen für öffentliche sowie private Auftraggeber prägen die Erfahrungen und Abläufe des Büros. In einem Team mit 19 angestellten Architekten sowie studentischen und freien Mitarbeitern bildet Lorber Paul Architekten das gesamte Leistungsspektrum der Leistungsphasen LP 1-9 (nach HOAI) ab.

Beide Partner sind seit vielen Jahren in der Lehre an unterschiedlichen Hochschulen tätig.

Annette Paul und Gert Lorber (Vorsitz BDA NRW) sind als Mitglieder des BDA in verantwortlicher Position. Frau Paul hat durch ihre umfangreiche Arbeit als Preisrichterin und Mitglied der Gestaltungsbeiräte Köln, Herne, Bochum (Vorsitz) und der Evangelischen Kirche jederzeit genauesten Einblick in städtebauliche Perspektiven und Entwicklungen.

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